29.03.2020

Event

“Wir müssen uns zur gebauten Wirklichkeit verhalten”

Chefredakteur Alexander Gutzmer verlässt den Baumeister. Foto: © Ulrike Myrzik


Einerseits-Andererseits

111 Editorials während neun Jahren – unser Chefredakteur verläßt den Baumeister per 31. März 2020. Wir veröffentlichen die Abschiedsworte, die er in seinem 111. Editorial an die Leserinnen und Leser richtet. 

Vor gut neun Jahren schrieb ich mein erstes Baumeister-Editorial. Das erste von 111. Dieses Einhundertelfte wird mein letztes sein. Ich gebe die Chefredaktion der Zeitschrift ab. Einer Zeitschrift, die mir ans Herz gewachsen, die ein Teil von mir geworden ist. Der Baumeister war mehr für mich als ein „Job“. Er war eine Mission. Die Mission, einen intelligenten Architekturdiskurs zu etablieren – in Zeiten, in denen die Erfolgswelle der sozialen Medien die Frage aufwirft, ob es noch Zeitschriften braucht. Oder überhaupt noch journalistische Medien.

Ich bin überzeugt: Das braucht es. Ja, auch „im Internet“ wird Architektur verhandelt. Doch dort geben die Diskutanten – auch architektonisch versierte Diskutanten – der schnellen These den Vorzug vor
dem genauen Blick. Positionen werden angedeutet, aber selten ausformuliert. Dies gilt gerade auch für jene Vertreter der debattierenden Zunft, die sich für Bewahrer irgendwelcher „alten Werte“ halten. Gerade sie sind im Netz oft die undifferenziertesten Polemisierer.

Wobei – eine gute Polemik ist immer noch besser als ein übellauniges „Einerseits-Andererseits“. Wir beim Baumeister sind davon überzeugt: Architekturkritik findet nicht statt, indem man Projekte „draußen lässt“. Kritik muss artikuliert werden. Wir als Medium müssen uns zur gebauten Wirklichkeit verhalten – explizit, nicht nach dem Augen-zu-Prinzip.

In diesem Geist wollten wir in den vergangenen Jahren den Baumeister machen. Ob es gelungen ist, beurteilen Sie am besten selbst. Wichtig war mir immer: Eine Zeitschrift ist Teamarbeit, hat viele Mütter
und Väter. Ihnen allen danke ich von Herzen – unseren Autoren und Gestaltern, unseren Fotografen, Zeichnern und Kolumnisten. Meiner Redaktion, der gesamten Architektur-Redaktion hier im Verlag, vor allem Sabine Schneider und Alexander Russ. Unserer Art Direktion um Tom und Stephanie Ising. Meinem Verleger Dominik Baur-Callwey.

A good magazine should be a sound, not an echo

Mein größter Dank aber gilt Ihnen, unseren Leserinnen und Lesern. Für Vertrauen, Kritik, Anregungen, Information, Meinung. Bleiben Sie dem Baumeister gewogen. Bleiben Sie dem Journalismus gewogen. Ohne journalistische Reflexion, davon bin ich überzeugt, geht ein Stück Kultur verloren. Gehen Stimmen, Haltungen verloren. „A good magazine should be a sound, not an echo“, sagte einst die legendäre Vanity-Fair-Chefredakteurin Tina Brown. Ich hoffe, der Baumeister war, ist und bleibt ein solcher unverwechselbarer Sound.

 

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