02.07.2014

Öffentlich

Venedig, die Biennale und Koolhaas

Venedig ist der ideale Ort, um die Architekturbiennalen zu veranstalten. Ähneln doch die Theoriegebäude der jetzigen Architektur immer mehr der Struktur dieser Stadt: Kein Stadtplan stimmt mit der Realität überein. Nimmt man eine Abkürzung laut Plan, steht man in einer Sackgasse. Selbst am Markusplatz stehend, zeigt einem die Google-App, dass noch 24 Kilometer zu gehen sind, und die in drei Minuten angekündigten Vaporettos kommen dann erst in 30 Minuten.

Genauso laufen die derzeitigen Architekturdiskussionen: Kein Plan stimmt, Sackgassen, wohin man schaut. Alles viel zu spät. Die selbstverliebte Theorie spricht über das Ende der Zukunft in lustig vollgestopften, sinnentleerten Hallen. Schlecht ausgebildete Architekten sind aus Mangel an Wissen beeindruckt von dem dreidimensionalen Pop-up-Neufert, der kunsthistorisch aufgeladen Architekturkritiker zu Begeisterungsstürmen hinreißt.

Endlich: Nur Architektur! Keine Architekten! Zu lesen: Endlich der Wald und keine Bäume. Endlich keine Stararchitekten, nur mehr einer und der ist nur Kurator. (Ich fürchte mich vor dem nächsten Superkurator der Biennale, der uns erklärt, dass die Lehmbauten von Studenten in Afrika die Architektur der Zukunft sind und dabei vergisst und/oder übersieht, dass China diesen Kontinent in den nächsten Jahren kapitalistisch zubetonieren wird.) Ich denke da an Corbusier: Augen, die nicht sehen!

Rem Koolhaas ist ein cleverer Bursche. Was anderes konnte er machen, sich von den anderen Kuratoren abzusetzen, als nach den beiden letzten unsäglichen Ausstellungen sich mit einem Thema in einen Pavillon zurückzuziehen, dort seiner Sehnsucht nach Fundamentalem zu frönen und die moderne Langeweile den anderen Länderkuratoren zu überlassen.

Aber nicht umsonst sind jene Pavillons, die sich nicht an die Koolhaas‘sche Vorgabe gehalten haben, die noch interessantesten. Spitzenleistung einer fantasielosen Räumlichkeit ist der Deutsche Pavillon, auch so ein „one liner“, der in seiner Eindimensionalität Kritiker zu Denksportanalysen über demokratisches Material anregt. Clever von RK ist auch, sein Thema von den wichtigsten Architekturschulen bearbeiten zu lassen und damit die potentiellen Kritiker auf seine Seite zu ziehen. Nirgendwo ist aber zu sehen, zu lesen oder zu hören, dass laut Transparency International das Baugewerbe neben der Rüstungsindustrie das korrupteste ist.

Erstaunlich ist, dass die Architekturwelt noch immer und immer wieder glaubt, was RK zu erzählen weiß: Vor circa acht Jahren wurde ihm noch geglaubt, dass Dubai die Stadt der Zukunft sei. Heute glaubt man ihm, dass die Architektur zu Ende ist.

Rem Koolhaas war nie ein progressiver Veränderer, sondern immer nur ein Apologet der Macht des Faktischen. Insofern ist der Vergleich mit Corbusier verfehlt. Es ist kein Zufall, dass gerade Peter Eisenman ihn von seinem Thron stößt, indem er ihm fehlende Grammatik vorwirft. Kein Zufall ist auch, dass Eisenman ein intellektuelles Sprachbild dafür verwendet und kein emotionales Musikbild.

Die Architekturtheorie hat sich heute in die Beschreibbarkeit statt in die Erlebbarkeit geflüchtet. Und manchmal frage ich mich, ob die gebaute Architektur nicht nur die Illustration einer Theorie ist, statt umgekehrt. Im Übrigen bin ich der Meinung, dass Architektur kein Produkt ist.

PS: Wie ich eben erfahre, wird die nächste Kunstbiennale endlich gefährlich – ein Kunstprojekt sieht vor, Krokodile im Canale Grande auszusetzen und sie mit dicken, hässlichen Touristen zu füttern.

Wolf D. Prix / Coop Himmelblau (26.6.2014)

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