24.01.2020

Event

Suche nach der wahren Moderne

Moderiert von Baumeister-Chefredakteur Alexander Gutzmer unterhielten sie sich über die Zukunft und den Ursprung des Theaters.

Der Moderator präsentierte sie als den wichtigsten deutschen Philosophen und einen der erfolgreichsten Architekten des Landes: Peter Sloterdijk und Christoph Ingenhoven. Sie beide befragte am vergangenen Sonntag im Düsseldorfer Schauspielhaus Baumeister-Chefredakteur Alexander Gutzmer. Anlass für die gut besuchte Talkrunde war das 50 Jahres-Jubiläum der Bühne, die Ingenhoven Architects gerade sanieren.

Am 19. Januar trafen sich Peter Sloterdijk und Christoph Ingenhoven im Düsseldorfer Schauspielhaus zum Gespräch.
Moderiert von Baumeister-Chefredakteur Alexander Gutzmer unterhielten sie sich über die Zukunft und den Ursprung des Theaters.
Sloterdijk sinnierte über die Beziehung zwischen Demokratie und öffentlichen Raum im antiken Athen.
Ingenhoven Architects sanieren momentan das Düsseldorfer Schauspielhaus.

Avantgardistische Gebäude

Alle Fotos: Melanie Zanin

Der Düsseldorfer Architekt baut zwar mittlerweile in mehreren Kontinenten, führt aber mit beharrlicher Energie zugleich seine Bautätigkeit in seiner Heimatstadt fort. Deutlich zeigt sich dies an seinem seit fast 30 Jahren andauernden Einsatz für die ökologische Stadtreparatur der Innenstadt. Der ursprüngliche Anlass für dieses Engagement war die Wiederherstellung des Kö-Bogens am klassizistischen Hofgarten, jenes einst beschaulichen innerstädtischen Ortes, der in der Nachkriegszeit zum verkehrsdominierten non lieu herunterkam. Ingenhoven erinnerte denn auch zu Beginn der Diskussion daran, dass der Architekt Bernhard Pfau das Schauspielhaus ursprünglich näher an den Hofgarten heranrücken wollte, aber nicht verhindern konnte, dass der Haupteingang zum Gustaf-Gründgens-Platz ausgerichtet wurde. Der war anfangs nichts weiter als ein Parkplatz.

Die drei Diskussionsteilnehmer waren auf der Bühne des fast fertig renovierten Theaters zusammengekommen, um auch über Ursprung und Zukunft des Theaters insgesamt zu debattieren – aber besonders über dieses konkrete, 1970 errichtete Theater, dessen 50jähriges Jubiläum derzeit in Düsseldorf ausgiebig gefeiert wird. Christoph Ingenhoven erwähnte, dass in der Nachkriegsarchitektur die Moderne ganz unverhofft einschlug – durch Helmut Hentrichs angrenzendes Dreischeibenhaus, das durch Mies van der Rohes amerikanische Hochhäuser beeinflusst war, und eben durch Bernhard Pfaus Schauspielhaus, das wesentlich mehr durch die biomorphen Formen der popkulturellen siebziger Jahre geprägt wurde.

Beide Gebäude galten damals als avantgardistisch, obwohl sie erkennbar aus verschiedenen Welten stammten. Letzteres galt, wie Ingenhoven betonte, auch für die Architekten. Der Großbürger Hentrich profitierte von den NS-Seilschaften des Düsseldorfer Baudezernenten Friedrich Tamms, während Pfau während des Krieges in Frankreich „überwinterte“ und sich nach der Rückkehr dem Düsseldorfer „Architektenring“ anschloss, der gegen die Planungen von Tamms offen opponierte.

Religiös-moralische Pflicht

Ob Pfau und der Architektenring nicht doch nur die „bessere“ autogerechte Stadt wollten, blieb in der Diskussion ausgespart, aber Ingenhoven ließ es sich nicht nehmen, den von ihm in Angriff genommenen Kö-Bogen 2, vor den Toren des Schauspielhauses, als eine wesentliche Bereicherung des öffentlichen Raumes zu deuten – eines Raumes mit den Qualitäten einer fußgängergerechten Stadt und mit deutlicher Anbindung an den Hofgarten. Auf einen Zeitpunkt, zu dem der neu geschaffene Platz seine volle urbane Wirkung entfalten könne, wollte sich Ingenhoven jedoch nicht festlegen.

Es ging in dem Gespräch viel um Düsseldorf, es ging aber auch um das Prinzip Stadt allgemein und dessen politisches Potenzial. Das Thema „Demokratie und öffentlicher Raum“ war für Peter Sloterdijk ein geeigneter Anlass, um über den Ursprung dieser Beziehung im antiken Athen zu räsonieren. Der demokratische Raum, so Sloterdijk, konnte erst durch die Einrichtung von drei öffentlichen Foren entstehen – der Agora mit ihren vielfältigen politischen, religiösen, ökonomischen und kulturellen Funktionen, dann das Stadion als Austragungsort sportlicher Wettkämpfe – und schließlich das Dionysostheater, das sich im 5. Jahrhundert v. Chr. als Theater der freien Bürger beiderlei Geschlechts etablierte. Als öffentlicher Raum übte das riesige Dionysostheater eine zentrale Rolle aus: Der Besuch der Aufführungen war demokratisches Recht und religiös-moralische Pflicht zugleich.

Babylon und Medea

Wahrscheinlich hätte sich der Antikenfreund Sloterdijk als antiker Autor in die Aufführungen eines Euripides, Sophokles oder Aischylos eingereiht. Beide Diskussionsteilnehmer bedauertes es jedenfalls, dass die Tradition des Theaters fast ausschließlich durch das liberale Bildungsbürgertum fortlebt.

Am Ende der Veranstaltung fragte der Moderator die Diskutanten nach ihren Vorschlägen für künftige Stücke in Düsseldorf. Sloterdijk schlug die Oper „Babylon“ vor, zu der er vor einigen Jahren ein Libretto geliefert hatte. Ingenhoven wünschte sich Medea – aber unter der Regie von Pier Paolo Pasolini.

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