12.05.2014

Wohnen

Patrik gegen den Rest der Welt

So geht Social Media heute: In einem einfachen morgendlichen Facebook-Post deklarierte Patrik Schumacher (Chef von Zaha Hadid Architects) gestern seine Sicht der Dinge. Der architektonischen Dinge, genauer gesagt. Und um die steht es, in Schumachers Worten, wie folgt:

„STOP political correctness in architecture. But also: STOP confusing architecture and art. Architects are in charge of the FORM of the built environment, not its content. We need to grasp this and run with this despite all the (ultimately conservative) moralizing political correctness that is trying to paralyse us with bad conscience and arrest our explorations if we cannot instantly demonstrate a manifest tangible benefit for the poor – as if the delivery of social justice is the architect’s competency. Unfortunately all the prizes given by the last architecture biennale were motivated by this misguided political correctness. STOP political correctness in architecture! And yet, architecture is not a l’art pour l’art discipline. Architecture is NOT ART although FORM is our specific contribution to the evolution of world society. We need to understand how new forms can make a difference for the progress of world civilisation. I believe today this implies the intensification of communicative interaction with a heightened sense of being connected within a complex, variegated spatial order where all spaces resonate and communicate with each other via associative logics.“

Das Resultat war vorhersehbar: Die Gemeinde empörte sich einhellig. Das tut sie natürlich immer, wenn es um Zaha Hadid-Aktivitäten geht. Doch dieses Mal hat Schumacher einen echt wunden Punkt getroffen. Denn im Architekturdiskurs gilt nun mal als ausgemacht, dass Architektur eine soziale und politische Funktion hat. Und die, so fühlten die Erregten, wollte Schumacher ihnen absprechen.

Aber tat er das? Nur bedingt. Political Correctness zu kritisieren ist nicht dasselbe, als der Architektur jegliche politische Funktion abzusprechen. In Schumachers angesprochener „intensification of communication“ und in dem „heightened sense of being connected with a complex…social order“ liegt auch eine politische Funktion. Eine Architektur, die neue Wege der gesellschaftlichen Kommunikation zwischen isolierten Gruppen schafft, wäre aus meiner Sicht sehr wohl politisch – und wertvoll. Und eine, die das Individuum in höherem Maße mit der kulturellen und ökonomischen Struktur verbindet, auch. Nur schafft Architektur das? Bei vielen zeitgenössischen Bauten muss man genau diese Funktionen als nicht erfüllt ansehen. Auch, aber bei weitem nicht nur bei vielen Hadid-Bauten.

Schumacher wandte sich mit seinem Post nicht zuletzt gegen die Biennale-Ansätze, die Rem Koolhaas kurz zuvor präsentiert hatte. Aber gerade jemandem wie Rem Koolhaas kann man politische Correctness nun wirklich nicht unterstellen. Im Gegenteil: Es ist ja gerade der langweilige PC-Diskurs, der Koolhaas regelmäßig seinen CCTV-Turm vorhält („Darf man für problematische Regimes bauen?“) oder seine großen Gebäude ganz allgemein („Darf man für Banken bauen?“). Koolhaas lieferte in der Vergangenheit viele Beispiele dafür, wie Architektur politisch provozieren kann – gerade dann, wenn sie das Bedürfnis nach allzu einfacher, man könnte auch sagen einfältiger „sozialer Architektur“ unterläuft. Das Bedürfnis nach jener Lehmhütten-Adaptions-Ästhetik, die auf simple Weise signalisieren will, sich mit den „lokalen Bedingungen“, wie es dann heißt, befasst zu haben.

Für Schumacher ist Architektur nicht nur keine Politik. Sondern auch keine Kunst. Das sehe ich anders. Architektur hat die Fähigkeit, Seh-, Bewegungs- und Lebensgewohnheiten zu unterlaufen. Das ist eine künstlerische Funktion. Und zwar eine, die das meiste, was bei uns so als Kunst firmiert, nicht erfüllt. Kunst ist es eben nicht, politische Banalitäten zu visualisieren. Die klassische Betroffenheits-Batikkunst unterläuft keinen Wahrnehmungsgewohnheiten. Hübsch stilisierte Friedenstauben, No-Atom-Poster oder vage Kapitalismus-Anklagen sind keine Kunst. Sie fordern nicht heraus, sondern bedienen den Common Sense. In einer Zeit, in der alles scheinbar Kunst ist, erscheint es zunehmend schwieriger, überhaupt noch zu provozierenden Statements zu gelangen. Hier liegt für mutige Architektur eine Chance.

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