02.09.2020

Öffentlich

Besucherzentrum, Park Paviljoen im Nationalpark Hoge Veluwe

Kultur
Der neue Park Paviljoen im Nationalpark Hoge Veluwe setzt sich intensiv mit dem Ort und seiner Architekturgeschichte auseinander. Foto: Stijn Bollaert
Der neue Park Paviljoen im Nationalpark Hoge Veluwe setzt sich intensiv mit dem Ort und seiner Architekturgeschichte auseinander. Foto: Stijn Bollaert

Der neue Park Paviljoen im Nationalpark Hoge Veluwe steht in der Nachbarschaft von einigen der bedeutendsten Bauten des 20. Jahrhunderts in den Niederlanden. Den Architekturbüros Monadnock und De Zwarte Hond ist es gelungen, ein Gebäude zu entwerfen, das zu seinem Standort ein vielschichtiges Beziehungsnetz knüpft: architekturgeschichtlich, typologisch und funktional.


Klassische Landhäuser

„Het Landhuis“ – das Landhaus: Unter diesem Namen firmierte der Park Paviljoen, das neue Besucherzentrum im niederländischen Nationalpark Hoge Veluwe, während der Bauphase. Und ganz unübersehbar haben sich die beiden Architekturbüros Monadnock und De Zwarte Hond, die das Gebäude entworfen haben, von klassischen Landhäusern der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts inspirieren lassen. Job Floris von Monadnock nennt als Vorbilder insbesondere Edwin Lutyens, den Großmeister des englischen Country House, und den niederländischen Architekten Frits Eschauzier, der in den Zwanziger- und Dreißigerjahren Villen im Heimatschutzstil errichtet hat.

Ansicht von Nordwesten, Foto: Stijn Bollaert

Avantgarde-Architekten

Floris ist bereits mit einigen vorherigen Arbeiten, insbesondere mit der vielbeachteten Landmark Nieuw Bergen, als ein Architekt in Erscheinung getreten, der sich intensiv mit klassische Bautypologien auseinandersetzt. Seine Architektursprache findet eine feine Balance zwischen Tradition und Moderne. Vor allen Dingen aber weiß er um den Wert der malerischen Wirkung, den Architektur entfalten kann. Damit gehört er zu einer Gruppe niederländischer Avantgarde-Architekten, die mit den Maximen der „Superdutch“-Generation brechen. Sie suchen einen Weg, die Architekturgeschichte miteinzubeziehen, ohne in New Urbanism-Fahrwasser zu geraten. Das Ergebnis sind Bauten, die ein wenig den Geist der Vor- und Frühmoderne atmen. Sie scheinen eine gewisse Wahlverwandtschaft mit Bauten von Architekten wie Hendrik Petrus Berlage zu besitzen, der als einer der ersten zu Beginn des 20. Jahrhunderts einen Weg aus dem Stilgemenge des Historismus suchte.

Ansicht von Nordosten, Foto: Stijn Bollaert
Ansicht von Nordosten, Foto: Stijn Bollaert
Ansicht von Osten, Foto: Stijn Bollaert
Ansicht von Osten, Foto: Stijn Bollaert
Ansicht von Osten, Foto: Stijn Bollaert
Ansicht von Osten, Foto: Stijn Bollaert
Ansicht von Süden, Foto: Stijn Bollaert
Ansicht von Süden, Foto: Stijn Bollaert
Ansicht von Westen, Foto: Stijn Bollaert
Ansicht von Westen, Foto: Stijn Bollaert
Ansicht von Westen, Foto: Stijn Bollaert
Ansicht von Nordwesten, Foto: Stijn Bollaert
Ansicht von Nordwesten, Foto: Stijn Bollaert
Ansicht von Nordwesten, Foto: Stijn Bollaert
Parkshop, Foto: Stijn Bollaert
Parkrestaurant, Foto: Stijn Bollaert
Foyer im Obergeschoss mit historischen Bleiglasfenstern, Foto: Robert Modderkolk
Gang im Obergeschoss, Foto: Stijn Bollaert
Gang im Obergeschoss, Foto: Stijn Bollaert
Ansicht von Norden, Foto: Stijn Bollaert
Ansicht von Osten, Foto: Stijn Bollaert

Park Paviljoen, Freilichtmuseum der modernen Architektur

Der Vergleich mit Berlage ist in der Hogen Veluwe direkt nachvollziehbar. Sein monumentales Jagdhaus St. Hubertus für das Ehepaar Kröller-Müller bildet den eigentlichen Ursprung des Nationalparks. Es bildete den Auftakt für eine lange Reihe von Architekturprojekten, die den Park heute zu einem der bedeutendsten Architekturschauplätze des Landes machen. Der Industrielle Anton Kröller und seine Frau, die Kunstsammlerin Helene Kröller-Müller erwarben ab 1909 das über 50 Quadratkilometer große Areal und ließen Berlage dort ab 1914 ihren Landsitz errichten.

Zuvor hatte das Ehepaar bereits versucht mit Peter Behrens und seinem vorherigem Mitarbeiter Ludwig Mies van der Rohe zu bauen, waren aber jeweils mit den vorgelegten Plänen unzufrieden. Hatten Behrens und Mies noch Räumlichkeiten für die gewaltige Kunstsammlung Helene Kröller-Müllers in ihren Villenentwürfen eingeplant, sollte ab 1920 Henry van de Velde für die Sammlung ein eigenes Museum im Park bauen. Er entwarf einen beeindruckenden Monumentalbau, der jedoch nie über das Fundament hinauskam. Danach verhinderte der Niedergang des Konzerns der Kröller-Müllers den Weiterbau.

Der Park wurde in eine Stiftung übertragen, die Sammlung gelangte an den Staat. Der ließ schließlich in den späten Dreißigerjahren einen ursprünglich nur als Provisorium gedachten Museumsbau, wiederum nach Plänen van de Veldes, errichten. Er besteht bis heute, wurde aber in den Siebzigerjahren von Wim Quist erheblich erweitert. Im Skulpturenpark des Museums wurde 1964 ein Pavillon von Gerrit Riedveld errichtet. Im Jahr 1996 durften MVRDV einen Eingangspavillon, Quist Wintermans Architekten 1998 ein Informationszentrum auf dem Parkgelände bauen.

Seit 2018 läuft ein umfangreicher Masterplan, um den Nationalpark den heutigen Anforderungen anzupassen. Herzstück der Maßnahmen ist der Park Paviljoen von Monadnock und De Zwarte Hond, die sich mit ihrem Entwurf in einem Wettbewerb durchsetzen konnten. Die Juroren erkannte im Beitrag der beiden Büros eine Qualität, die ihm zukünftig erlaubt, im Architekturensemble des Nationalparks Hogen Veluwe mitzuspielen – eine hohe Ehre und ein deutlicher Hinweis darauf, dass der gestalterische Ansatz der beiden Büros, der mit der drei Jahrzehnte tonangebenden Superdutch-Moderne erkennbar bricht, in der niederländischen Fachwelt durchaus wertgeschätzt wird.


Ein Hauch von Arts-and-Crafts

Der Neubau tritt an die Stelle des ehemaligen Parkrestaurants, das für die heutigen Bedürfnisse zu klein geworden war. Das Gebäude aus der Nachkriegszeit bot zudem keine Möglichkeit, auch größere Gruppen zu bewirten und war mit seinen engen und niedrigen Räumen für einen modernen Gastronomiebetrieb im Park Paviljoen ungeeignet. Auch das Informationszentrum von Quist Wintermans Architekten litt inzwischen an Platzproblemen. Insbesondere der beliebte Parkshop hatte mit seiner knappen Fläche zu kämpfen. Beide Funktionen sollte das neue Gebäude übernehmen.

Monadnock und De Zwarte Hond entwarfen einen gekurvten Baukörper mit zwei langgestreckten, parallel angeordneten Walmdächern. Während der gekrümmte Umriss auf das gegenüberliegende Informationszentrum mit seiner geschwungenen Fassade Bezug nimmt, verweist die bewegte Dachlandschaft unverkennbar auf die Tradition des Arts-and-Crafts-Landhauses. Die Architekten ordnen die beiden Dachfirste nicht aus einer Höhe an, sondern lassen einen den anderen überragen. Denn auf der konkaven Seite ist der Bau doppelstöckig, während er auf der konvexen nur einstöckig ist.


Kaminsaal mit Gewölbe

Unter dem höheren Satteldach ordnen Monadnock und De Zwarte Hond im Sockelgeschoss die Wirtschafts- und Versorgungsbereiche des Park Paviljoen an, im darüberliegenden Obergeschoss befinden sich mehrere Konferenzräume. Da das obere Stockwerk gegenüber dem Sockel zurückspringt, können den Konferenzräumen große Freisitze vorgelagert werden.

Unter dem niedrigeren der beiden Satteldächer überrascht das Gebäude mit einem Tonnengewölbe. Zu dieser gestalterischen Lösung haben sich die Architekten von Gunnar Asplunds berühmter Kapelle auf dem Stockholmer Skogskyrkogården von 1917 anregen lassen, bei der Asplund eine Kuppel mit Laterne unter einem Walmdach verbarg. Der langgestreckte, gewölbte Saal, den die Architekten geschaffen haben, nimmt die öffentlichen Bereiche des Park Paviljoens auf. In seiner nördlichen Hälfte ist der Shop untergebracht, in der südlichen das Restaurant. Während an der nördlichen Schmalseite ein großes Fenster die Kontur des Gewölbes von außen ablesbar macht, endet der Saal im Süden in einer regelrechten Apsis mit einer ausladenden Feuerstelle im Zentrum. Dieser Kamin mit seiner gefliesten Einfassung verweist auf die charakteristischen Inglenooks der Arts-and-Crafts-Landhäuser, seine Farbigkeit und Materialität schlägt die Brücke zu Berlages benachbartem Jagdhaus St. Hubertus.


Park Paviljoen, modernes Landhaus

Die Innenausstattung des Park Paviljoen entstand in Zusammenarbeit mit Interior Designer Bart Vos. Er entwarf eine Einrichtung, bei der Holz das beherrschende Thema ist. Wie bei der Architektur mischen sich auch hier eine absolut zeitgemäße Formensprache mit unübersehbaren Verweisen auf die Tradition des Landhauses – etwa bei der Holztäfelung des Hauptsaales.

Das Mobiliar entstand nach Designs von Vos und dem Designer Piet Hein Eek. Sie gestalteten eine Palette von Holzmöbeln, die Assoziationen an eine moderne Lodge, an ein zeitgemäßes Jagdhaus hervorrufen. Das Tonnengewölbe wird durch Leuchter in Szene gesetzt, die die Lichtdesigner von Beersnielsen entworfen haben. Die Leuchter projizieren die Silhouetten von Blättern und Astwerk an die Decke, wobei ein programmierter Algorithmus dafür sorgt, dass dabei der Effekt natürlichen Sonnenlichts entsteht.

In den Konferenzräumen im Obergeschoss arbeitet das Interieur wesentlich stärker als im großen Saal mit Farbe. Hier spielt ein Tannengrün, das ebenfalls am Kamin im Saal erscheint, die Hauptrolle. Im Foyer des Obergeschosses wurden zudem farbige Bleiglasfenster mit Tiermotiven aus dem Depot der Stiftung eingebaut. Sie waren ursprünglich für das Jagdhaus Berlages geschaffen worden, fanden dort aber keine Verwendung. Auch mit der Verwendung dieser „Spolien“ stellt sich der Park Pavillon in die Bautradition der Hogen Veluwe.


Neue Wege in der Architektur

Andere Elemente des Pavillons suchen dagegen Bezugspunkte jenseits der Architekturgeschichte. Die Materialien des Außenbaus etwa wählten die Architekten mit dem Ziel aus, sich in der Farbigkeit dem sandigen Terrain anzunähern. Helle Verblendersteine und eine goldgelbe Metallverkleidung nehmen dem Gebäude in Zusammenspiel mit großen gefalteten Glasflächen im Erdgeschoss jede Monumentalität und Schwere. Der Park Paviljoen ist ein spannendes Beispiel dafür, dass in den Niederlanden über neue Wege in der Architektur nachgedacht wird. Vielleicht wird diese Entwicklung zukünftig einen ähnlichen Einfluss erlangen, wie derzeit die Bauten von OMA, UNStudio oder MVRDV. Mit deren Architektur gemeinsam haben die Arbeiten der neuen Schule, dass sie sich intensiv mit dem Ort ihres Entstehens auseinandersetzen und Lösungen jenseits ausgetretener Pfade suchen.

Apropos Besucherzentrum: Die Architekten Andersen + Sidurdsson haben am Borgarfjordur Eystri in Bakkagerdi auf Island einen kubischen Betonbau für Tourismus und Hafenbüro gebaut.

Scroll to Top