21.05.2014

Event

Österreichischer Pavillon

Narrativ des Eurozentrismus. Die Zeitsetzung „1914 – 2014“ passt nicht für alle Länder. Harald Trapp und Christian Kühn, Kuratoren des Österreichischen Pavillons, machen die temporäre Perspektive weiter auf. Das Thema: Parlamente

Baumeister: Im Januar brachte „die Presse“ eine Sonderausgabe „1914–2014“ heraus, die einen geschichtlichen Überblick dieser Zeitschiene in Österreich gab. „Absorbing Modernity: 1914–2014“ ist der Titel der diesjährigen Biennale. Was bedeutet das für das Konzept des Österreichischen Pavillons?
Christian Kühn: Wir wollten uns von Anfang an mit Parlamentsarchitektur befassen. Dafür hatten wir einen internen Arbeitstitel: „Absorbing Democracy: 1814–2014“, da wir der Meinung sind, dass 1914 keinen guten Zeitpunkt für den Beginn einer Geschichte der Demokratie darstellt. Der Wiener Kongress im Jahr 1814 war gewissermaßen der Nullpunkt, von dem aus die demokratische Entwicklung in Europa nach dem Erstarken des Absolutismus wieder begonnen hat. Die bürgerliche Revolution von 1848 war der erste Meilenstein, begleitet von der Idee der Erstarkung des Nationalstaats, der Neuaufteilung Europas 1871, den Katastrophen des Ersten und Zweiten Weltkriegs und dem endgültigen Sieg der Demokratie, der dauerhaften Frieden in Europa gebracht hat. Das ist natürlich eine eurozen-tristische Konstruktion, eine der letzten großen Erzählungen, die dem Westen noch geblieben ist.

B: Und was bedeutet die globale Perspektive?
C K: In der Auseinandersetzung mit den Parlamenten der Welt – und damit einer globalen Betrachtung – haben wir gesehen, dass in anderen Regionen ganz andere Erzählungen relevant sind. In Afrika beispielsweise ist die Errichtung von Parlamenten verbunden mit dem Ende des Kolonialismus, mit Befreiung und der Erstellung einer Verfassung und schließlich mit dem Bau eines Gebäudes. Obwohl das ein eigenes Narrativ ist, beziehen sich die meisten dieser Parlamente architektonisch auf die europäische Tradition. Und teilweise mit seltsamen Erscheinungen, wie etwa beim Parlament von Nordkorea, welches eine frappante Ähnlichkeit mit dem Parlament von Finnland hat, beide im Stil des Klassizismus. In Nordkorea gibt es aber nur eine Sitzung pro Jahr. Wenn sich eine Diktatur in einem solchen klassizistischen Bau offenbar wohlfühlt, muss man sich die Frage stellen: Wie viel Hie-rarchisches, Absolutistisches und sogar Diktatorisches steckt in dieser Art von Architektur, die maßgeblich war für rund zwei Drittel der Parlamentsbauten auf der Welt, auch in den großen Demokratien? Das kann man nicht rein architekturhistorisch erklären: Die meisten wurden ja nach 1950 gebaut.

B: Die Umkehrung der politischen Hierarchien durch den gesellschaftlichen Wandel verlangt auch nach neuen räumlichen Strukturen, in denen Demokratie neu interpretiert werden kann. Hat Machtarchitektur noch eine Relevanz?
C K: Macht wird heute eher sichtbar in den großen Massenbewegungen im öffentlichen Raum. Dort gibt es noch Begeisterung für Politik. In Kairo am Tahrir-Platz waren zwei Millionen Menschen unterwegs, um ihren politischen Willen zu repräsentieren. Diese enormen Menschenmassen konnten sich über längere Zeit nur über neue Medien wie Facebook und Twitter organisieren. Neue bauliche Strukturen bräuchte es für die Aufteilung von Macht, die ja sonst doch wieder hinter den Kulissen und nicht im öffentlichen Raum stattfindet.

B: Haben Sie vor, diesen Bewegungen, die auch den politischen Willen des Volkes repräsentieren, in Veranstaltungen einen Raum zu geben?
C K: Wir planen im Pavillon eine Reihe von Diskussionsveranstaltungen in Kooperation mit der italienischen Architekturzeitschrift „San Rocco“. Dabei werden wir unter anderem Redner aus Tirana einladen, um über die Entwürfe von Coop Himmelb(l)au für das albanische Parlament zu diskutieren. Das vollständige Programm wird erst zur Eröffnung feststehen.

B: Was bedeutet heute noch das Konzept eines Länderpavillons?
C K: Die nationalen Pavillons in Venedig muss man als eine bizarre Versuchsanordnung sehen. Da wird eine künstliche Grenze gezogen, die sich am Ende als wenig produktiv herausstellt, wenn man damit etwas klären möchte. In der Architektur halte ich die regionale Grenze noch für produktiver und dann natürlich die globalen Trends. Unsere Ausstellung ist auch ein ironisches Statement, indem ein nationaler Pavillon alle anderen Nationen mit ihren Parlamenten repräsentiert. Man sieht dabei, was herauskommt, wenn die politische Klasse eines Landes etwas ganz Besonderes realisieren möchte. Architektonisch kommt dabei nur selten etwas besonders Gutes heraus. Oscar Niemeyers Parlament in Brasilia und Louis Kahns Parlament für Bangladesch in Dhaka gehören zu den wenigen Ausnahmen.

B: Ist beim Bau von Parlamentsgebäuden nicht problematisch, visuell den kleinsten gemeinsamer Nenner zu formulieren?
C K: Das ist wahrscheinlich auch ein Motiv für die vielen klassizistischen Parlamente: Eine Sprache, die jeder zu verstehen glaubt. In Österreich haben wir ja auch ein klassizistisches Parlament, und beim letzten Versuch, den Plenarsaal, eine recht elegante Leistung aus den 1950er-Jahren, zu erneuern, hat man sich auch nicht für eine radikale Lösung entscheiden können. Selbst kleinste Veränderungen, wie der Einbau zweier Rednerpulte, die Rede und Gegenrede erlauben würden, wären ohne eine Verfassungsänderung nicht umzusetzen. Diese Trägheit hat natürlich einen Sinn, aber wenn sie zu weit geht, sinkt das Vertrauen in die Institution.

B: Wie lösen Sie den nationalen Aspekt in Ihrer Ausstellung auf?
C K: Man könnte unsere Ausstellung ja auch als Glorifzierung des Nationalstaats verstehen. Deswegen haben wir uns bemüht, diese Monumentalbauten unmissverständlich in einer prekären Lage zu präsentieren, weil sie auch in Summe die größeren Weltprobleme nicht mehr individuell lösen können, sondern nur in einer supernationalen Struktur. Sie stehen ja normalerweise fest auf dem Boden, repräsentieren eine Weltachse und ein Zentrum, um das sich die Nation schart. Jetzt hängen sie eher blass und um 90 Grad gekippt an der Wand. Zu den Modellen gibt es eine knappe Basisinformation direkt an der Wand, dazu einen Pocketkatalog mit zusätzlichen Informationen, der im Raum ausliegt. Zur Ausstellung erscheint auch eine Ausgabe der Zeitschrift für Architekturtheorie „UmBau“, in der wir Autoren aus unterschiedlichen Disziplinen gebeten haben, sich mit der Rolle von Architektur in repräsentativen Demokratien zu befassen.

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