15.11.2019

Öffentlich

Zig Millionen für die ungeliebte Scheune

Museum der Moderne

Haupteingang

Das Museum der Moderne von Herzog & de Meuron steckt seit Jahren von allen Seiten Kritik ein: Es ist viel zu teuer, der Entwurf gefällt nicht und die Blickachse zwischen Nationalgalerie und Philharmonie wird verbaut. Jetzt bewilligte der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages den Kostenplan für das Projekt. Wie kann es sein, dass die Politik alle Fakten und Einwände der Öffentlichkeit außer Acht lässt und dem exorbitanten Kostenplan für ein neues Museum zustimmt, während die anderen Häuser der Stiftung Preußischer Kulturbesitz längst renoviert werden müssten?

Haupteingang, Ansicht vom Scharounplatz am Tag (Nordfassade)
Blick vom Haupteingang nach Süden und den Ost-West-Boulevard
Boulevard mit Blick vom Erdgeschoss aus nach Norden auf die Treppe und den Haupteingang
Ansicht auf die Westfassade mit Baumhof, Matthäikirchplatz und Matthäikirche
Haupteingang, Blick auf Scharounplatz von der Freitrappe aus (Nordfassade)

Kein Zurück mehr

Visualisierungen: Herzog & de Meuron

Selten hat ein öffentliches Bauprojekt in Deutschland so viel Gegenwind provoziert wie das Museum der Moderne. Ein Shitstorm, könnte man fast sagen, wären die Diskussionsbeiträge nicht von seriöser Art. „Das teuerste Krustenbrot der Welt“, titelte die FAZ und bezog sich damit auf eine vom Juryvorsitzenden Arno Lederer gebrauchte Metapher. „Diese Scheune ist ein Skandal“, war ein anderer FAZ-Beitrag überschrieben, ein geharnischter Rundumschlag, der Standort, Architektur, Größe, Umweltaspekte und Kosten gleichermaßen skandalisierte.

Manche Kritikpunkte schießen auch übers Ziel hinaus. Die Geißelung des frevelhaften Ansinnens, die Blickachse von Mies van der Rohes Neuer Nationalgalerie zu Scharouns Philharmonie zu verbauen, (von Stefan Braunfels in einer weiteren Streitschrift hübsch illustriert), ist eine allzu vordergründige, alberne Haltet-den-Dieb-Argumentation. Natürlich würde ein Neubau an dieser Stelle den Blick unterbrechen, aber das hatte schon Scharoun städtebaulich so geplant, und Mies musste bei seiner Planung davon ausgehen.

Weshalb wäre der Blick so unabdingbar? Wer die Philharmonie sehen will, kann kurz vor die Tür treten. Anfangs, als der Tiergarten kriegsbedingt noch baumfrei war, konnte man von der Neuen Nationalgalerie aus sogar das Brandenburger Tor sehen, was soll´s.

„Augen zu und durch“, beschrieb der Tagesspiegel die Situation und lag damit richtig: Der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestags genehmigte dem Museum der Moderne einen weiteren kräftigen Schluck aus der Steuermittelpulle und erlegte sich damit die Selbstverpflichtung für künftige Bausummensteigerungen von 364,2 Millionen auf prognostizierte 450 Millionen Euro auf. Dabei wird es mit Sicherheit nicht bleiben, eher werden es 600 Millionen. Aber dann ist das Ding in Bau und es gibt kein Zurück mehr.

Abhängigkeit von Privatspendern

Der eigentliche Skandal ist, wie die Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) ihr persönliches „Grand Projet“ gegen vielfältigste Bedenken in den Hinterzimmern der Politik durchgedrückt hat. Die politische Kaste macht das Projekt unter sich aus. Fakten, pragmatische Überlegungen und die öffentliche Meinung spielen keine Rolle. Vielleicht wäre die höchst umstrittene Architektur des Museums der Moderne („Scheune“, „ALDI-Discountmarkt“ usw.) kein hinreichender Grund für eine Absage gewesen, schließlich handelte es sich um das Ergebnis eines Wettbewerbs mit prominenter Jury. Doch die städtebaulichen Probleme, die Grundrissverkleinerung mit der Folge des teuren, schwer kalkulierbaren Tiefergehens in den äußerst problematischen Berliner Baugrund, hätten den Haushältern zu denken geben müssen.

Ärgerlich auch, wie man sich unterwürfigst in Abhängigkeit zu einigen Privatspendern begibt, die gedroht hatten, ihre Sammlungen anderweitig zu platzieren. Das hängt damit zusammen, dass die Stiftung kaum eigene Großvorhaben, international zugkräftige Ausstellungen, auf die Beine stellen kann und jeweils auf zahlungsfreudige Partner angewiesen ist.

Zu viele Baustellen

Immer neue großartige Häuser lässt sich die Stiftung Preußischer Kulturbesitz vom Bund „schenken“, die aber anschließend zu bespielen und zu unterhalten sind. Doch bei den existierenden Häusern gibt es bereits jahrzehntelange Renovierungsrückstande. Hinzu kommt eine nicht auskömmliche Finanzausstattung für das qualifizierte Fachpersonal sowie ein erbärmlicher Ankaufsetat von 1,6 Millionen für alle Museen. Das passt alles nicht zusammen.

Bei der Stiftung wäre mal endlich Konsolidierung angesagt. Stattdessen ist 2020 das Humboldt-Forum in der Schlossreplik auf Kurs zu bringen, verschlingen die Generalsanierungen von Pergamonmuseum, Neuer Nationalgalerie und Scharouns Staatsbibliothek Unsummen und und und…

Kein Wunder, dass man aus Berlin sehnsuchtsvoll die populären Ausstellungsgroßevents in Paris, London, Amsterdam und New York beäugt. In dieser Liga will man auch spielen, sowas will man hier auch wieder mal haben.

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