05.06.2023

Wohnen

Ein Baum und viel Stahlbeton in der Rue du Vertbois, Paris

Beton Fassade Stahl
Moussafir Architectes gestalteten in der Rue du Vertbois ein Geschäftsgebäude aus den 1970er Jahren um. Foto: Hervé Abbadie
Moussafir Architectes gestalteten in der Rue du Vertbois ein Geschäftsgebäude aus den 1970er Jahren um. Foto: Hervé Abbadie

Spaziert man die kleine Seitenstraße Rue du Vertbois im Pariser Stadtviertel Marais entlang, trifft man bei Hausnummer 5 auf das Ergebnis der fertiggestellten Sanierung durch Moussafir Architectes. Zwischen 2013 und 2022 gestaltete das Büro das dort 1970 errichtete Geschäftsgebäude um.

Bereits auf der Straße fällt die Fassade ins Auge: Den großen Fensterflächen sind bewegliche Vorhangmodule vorgelagert. In weichen Wellen ziehen sie sich zur teilweisen oder vollständigen Verschattung über die Fassade, oder raffen sich an den Seiten. Die Außengestaltung entstand in Kooperation mit dem Amsterdamer Studio Inside Outside. Der brutalistische Bau aus Stahlbeton steht inmitten historischer Gebäude. Doch obwohl die Umgebung des Hauses hier im 3. Arrondissement unter Denkmalschutz steht, sprachen die Behörden für das Gebäude aus den 70er-Jahren (ursprünglich entworfen von Biro Fernier) keinen Schutzstatus aus. Für die Umgestaltung sowohl der inneren als auch externen Strukturen bedeutete dies mehr Möglichkeiten.

Foto: Hervé Abbadie
Die Fassade entstand in Zusammenarbeit mit Studio Inside Outside. Fotos: Hervé Abbadie
Foto: Hervé Abbadie

Charakteristische Aspekte der Moderne

Die Vorgabe einer externen Wärmedämmung machte man sich zunutze, um die bestehende Innenverkleidung zu entfernen und somit das Betonskelett sowie die Steinwände der alten Trennmauern freizulegen. Die Ästhetik und Materialität des ursprünglichen Gebäudes hervorzuheben war – neben der Demonstration der multifunktionalen Nutzbarkeit eines solchen Baus – ein wesentliches Ziel der Umgestaltung. Die charakteristischen Aspekte der Moderne wie der offene Grundriss, die Rasterfassade und die Fensterbänder sollten betont werden.

Foto: Hervé Abbadie
Die Vorhangmodule lassen sich öffnen und schließen. Fotos: Hervé Abbadie
Foto: Hervé Abbadie

Private und kommerzielle Nutzung

Unterteilt ist das Gebäude in zehn Ebenen, wobei sich drei davon vollständig unter der Erde befinden. Über diesen ehemaligen Parkdecks erhebt sich eine siebenstöckige Stahlbetonstruktur. Ein Mansardendach mit sechs Lukarnen und eine Dachterrasse schließen sie nach oben hin ab. Das Büro um den Pariser Architekten Jacques Moussafir entwarf ein neues Gesamtkonzept, bei dem sich kommerzielle und private Nutzung mischt. Auf die unterste Ebene, die weiterhin als Parkfläche besteht, folgen nun vier Etagen, die für eine Nutzung als Showroom konzipiert sind. Zwischen diesem und den Wohnräumen in den oberen Stockwerken liegt eine Ebene, die als Bürofläche dient.

Foto: Hervé Abbadie
Einblicke in ein Apartment. Fotos: Hervé Abbadie
Foto: Hervé Abbadie

Holz und viel Glas

Sowohl die der Arbeit als auch die dem Wohnen gewidmeten Flächen zeichnen sich durch den großzügigen offenen Grundriss aus. Die tragenden Wände und Pfeiler geben den Raum vor. Ihre strukturierende Funktion wird auch zu einer gestalterischen Komponente, denn neu integrierte Innenausstattung wie die metallenen Treppen und Geländer sind visuell klar vom Altbestand losgelöst. Neben Stahl ist vor allem Holz ein weiterer Protagonist der Innenausstattung und geht ein ausbalanciertes Zusammenspiel mit den sichtbaren Beton-und Steinflächen der alten Bausubstanz ein. Holz spielt dabei nicht nur im Boden eine Rolle, sondern auch als Deckenverkleidung, wie beispielsweise in der Büroetage. Von dort aus öffnet sich das Gebäude zum ersten Mal zu beiden Seiten hin.

Während man im Norden bereits über dem Straßenniveau auf die gegenüberliegenden Häuser blickt, verläuft südseitig eine durchgängige Glasfront entlang eines Gartens. Letzterer wird von einem umgekehrten Gewölbe aus Spannbeton getragen, wodurch auch die Bepflanzung mit hochstämmigen Bäumen möglich ist. Es ist ebenfalls original und schließt den unterirdischen Komplex zum Innenhof hin ab. Große Fensterflächen verlaufen nun zu beiden Außenseiten des sonst unmittelbar an die benachbarten Mauern angrenzenden Stadthauses. Auf den Wohnetagen sind sie in Richtung Innenhof jedoch in dynamisch auskragende Volumen gegliedert.

Foto: Hervé Abbadie
Showroom und Studio. Fotos: Hervé Abbadie
Foto: Hervé Abbadie

Textile Fassade von Inside Outside Studio

Die Straßenfassade wird von hellen Vorhangbahnen bestimmt. Über insgesamt zehn Meter Länge und zwölf Meter Höhe erstreckt sich der textile Licht-und Sichtschutz, den Inside Outside Studio erdacht hat. Textile Architektur ist ein Steckenpferd des niederländischen Büros. Umgesetzt wurde ein vierteiliger Vorhang aus PVC-Mesh, der nicht nur für Privatsphäre und Schatten sorgt, sondern auch auf die Windverhältnisse der engen Straße eingeht. Die Vorhänge lassen sich pro Stockwerk einzeln steuern. Über ein motorisiertes System können die Kunststoffbahnen zugezogen oder geöffnet werden. Die Gesamtfläche ziert die zarte Silhouette eines Portugiesischen Kirschlorbeerbaums in Form eines graublauen Drucks. Die Gestalt des Motivs wird außerdem durch kreisförmige Perforationen betont. Die zusätzlichen Löcher gewährleisten noch mehr Winddurchlässigkeit, sorgen aber auch für spielerische Lichteffekte im Inneren des Gebäudes. Eine zusätzliche Lichtquelle befindet sich im Vorhang selbst: LED-Bänder sind im Gewebe versteckt und ermöglichen eine dezente Beleuchtung.
Die Büroflächen des Hauses in der 5 Rue du Vertbois haben Moussafir Architectes übrigens selbst bezogen.
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