12.03.2016

Wohnen

Making Heimat: München, Venedig, Damaskus, Oranienburg

Foto: BBP

 

Ach das war schön für die Münchner: Nicht nur, dass das Programm für den Deutschen Pavillon der diesjährigen Architekturbiennale statt wie zu erwarten in Berlin in München präsentiert wurde. Nein, das Team um Peter Cachola Schmal vom Deutschen Architekturmuseum (Frankfurt) hatte sich auch eine demonstrativ unmünchnerische Location ausgesucht: das „Bellevue di Monaco“ in der Müllerstraße. Eigentlich ist das ein alternatives Kulturprojekt (eines der wenigen in München). Eine Begegnungs- und Wohnstätte für Flüchtlinge soll hier entstehen. In Nachbarschaft zu Nobelherbergen wie Léonwohlhages Seven, sind die Wände karg und war die Heizung bei dem Journalistenauflauf vergangenen Donnerstag schwächlich. So zeigte sich Münchens Kulturszene undergroundig – und gefiel sich sichtlich in der Rolle. Das Team um Cachola Schmal, den Kurator Oliver Elser und Projektkoordinatorin Anna Scheuermann fühlte sich wohl.

Sozial engagiert und ungelackt wird auch das Pavillon-Programm für Venedig. “Making Heimat”, so der Titel, der direkt auf das fragile Verhältnis von Eigenem und Fremdem verweist, um das es im Diskurs um die momentanen Migrationswellen immer auch geht. Ein Teil ist schon verwirklicht – eine Datenbank mit unterschiedlichsten Bauprojekten für Zuwanderer. Weitere Programmpunkte werden folgen. Cachola Schmal und Elser lieferten einen Vorgeschmack, der neugierig macht. Im Zentrum werden die Thesen des Journalisten Doug Saunders stehen, der mit seinem Buch „Arrival City“ die Perspektive auf die Zielstädte großer Wanderungsbewegungen richtet – und zwar aus Sicht der Wandernden. Diesem Ansatz folgend, stehen in Venedig deutsche Arrival Cities im Vordergrund. Städte wie Offenbach. Der Ort ist ein Zentralisationspunkt vieler Wanderungshistorien. Und diese schlagen sich auch städtebaulich nieder. Ohne Migrantenzufluss sähe Offenbach und sähen unsere Städte insgesamt anders aus.

Dieser Gedanke wird auch künftig eine wichtige Perspektive auf die Folgen von Migration bilden. Was momentan in Reaktion auf den Migrantenzufluss in Deutschland abläuft, ist ja ein verzögertes und vielleicht nicht hinreichendes, aber doch fühlbares Bauförderprogramm. Es ist dabei richtig, nicht nach Wohnungen für Migranten und für Einheimische zu unterscheiden. Denn auch wenn Flüchtlinge nicht die Kernzielgruppe einer strategischen Einwanderungspolitik sind – wohnen müssen sie genauso wie Deutsche und die gut ausgebildeten High Potentials, die klassische Einwanderungsgesellschaften im Blick haben. Binnendifferenzierungen können nur zu Ausgrenzung führen, die niemandem nützt.

Wichtig in diesem Zusammenhang aber: Ein simples bautechnisches „Business as Usual“ wäre falsch. Wir brauchen nicht nur mehr Wohnraum. Wir brauchen auch anderen. Hier wird es spannend sein zu sehen, welche Modelle die Datenbank der DAM-Macher zutage fördert. Das obige Beispiel zeigten Elser und Co. am Donnerstag: eine Unterkunft im brandenburgischen Oranienburg von BBP (Oliver Langhammer), Berlin. Elser sieht in ihr einen „vielleicht eher südlichen“ Baustil zumindest angedacht. Und das im kargen, dezidiert unsüdlichen Brandenburg. Die vielleicht weniger teutonisch-ordentliche Nutzung dürfte ein Übriges tun, um hier – wie in anderen Arrival Locations – zu einer neuen und sicher für viele auch irritierenden räumlichen Atmosphäre zu gelangen.

Es könnte also sein, dass das Bild unserer Ankunftsstädte auch durch neue Architektur „südlicher“ wird. Oder grundsätzlicher gefasst: Die Migration verändert unser Land.

Auch wenn gerade dieser Tage durch die sich schließenden Grenzen diese Veränderung weniger evident wirkt. Dennoch gilt: Die Transformation wird weiter gehen. Wenn wir uns ihr stellen, wird Europa dadurch auch kulturell reicher – weil es, auch im Wortsinn, über sich hinaus wächst. Was freilich nicht heißen soll, dass die Wanderungsbewegungen nicht auch massive neue Probleme mit sich bringen.

Das wissen die Pavillon-Kuratoren. Und es weiß auch Biennale-Chefkurator Alejandro Aravena. Insofern wird ein Urteilskriterium für Venedig auch sein, ob es der Biennale gelingt, kulturell konstruktiv daher zu kommen – ohne sich mit einem gutmenschenhaften Projekt-Positivismus zu begnügen.

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