01.12.2016

Öffentlich

Kathedrale der Moderne

Innenraum Design-Museum. Foto: Gareth Gardner

Eine gefühlte Ewigkeit von mehr als einem Jahrzehnt stand es leer: das ehemalige Gebäude des Commonwealth-Instituts an der Kensington High Street. Am 24. November ist nun das Design-Museum London unter sein expressiv geschwungenes Kupferdach eingezogen. Das zweite Leben dieser baufälligen Ikone der britischen Moderne begann mit dem städtebaulichen Masterplan von OMA im Jahr 2008 – für die neue Nutzung sanierten sie mit Allies & Morrison und Arup das hyperbolisch-parabolische Betontragwerk der denkmalgeschützten Ausstellungshalle; Annexe und Fassade wurden abgerissen. Entstanden ist die Halle zwischen 1960 und 1962, sie stammt von den Architekten RMJM & Partners. Heute gesellen sich drei Apartmenthäuser wie in den Park gestreute Kuben dazu. Die Besucher betreten den von John Pawson gestalteten Innenraum des neuen Design-Museums über ein zentrales Atrium mit umlaufenden Treppen, das den Blick auf die skulpturale Dachkonstruktion fokussiert.

Das ehemalige Londoner Commonwealth-Institut dient heute als Design-Museum. © GRAVITY ROAD_DesignM_S
Alter Ausstellungssaal und neue Wohnblocks. Foto: Nick Gutteridge © OMA
Die neuen Wohnblocks von Holland-Park aus gesehen. Foto: Sebastian van Damme © OMA
Masterplan aus dem Jahr 2008 © OMA
Blick auf die expressive Dachkonstruktion im Innern. © Bettina Schürkamp
Innenraum Design-Museum. Foto: Gareth Gardner

Mit Wehmut schloss das Design-Museum im Sommer 2016 die Tore des bisherigen Standorts an der Themse unweit der Tower Bridge. Das 1989 von Sir Terence Conran gegründete Museum für Produktdesign, Mode, Grafik und Architektur war dort in einem ehemaligen Lagergebäude untergebracht. In Anlehnung an das Bauhaus richtete die Design-Gruppe Conran + Partners hinter der strahlend weißen Fassade Ausstellungsebenen ein. Zwei Jahrzehnte später suchte das Museum nach neuen Räumen, um mit einem gewachsenen Programm der drängenden Enge zu entkommen. Für Conran, der über siebzehn Millionen Pfund für den Umzug spendete, war es Liebe auf den ersten Blick, als er das baufällige Commonwealth-Institut mit der ausdrucksstarken Betonkonstruktion betrat. „Die Dynamik des Raums hat mich an historische Kathedralen erinnert“, erklärt er. In diesem Moment des Staunens habe er das Potenzial für den neuen Standort an der wohlhabenden Einkaufsmeile Kensington High Street entdeckt.

Das dreifache Raumvolumen am neuen Standort wurde durch die enge Verschränkung des Kulturangebots mit den hochpreisigen Apartmenthäusern finanziert. Ein weitläufiges Untergeschoss mit einer Parkgarage, Archiven und einem Fitnessbereich verbindet alle Bauten des Ensembles. Erst auf den zweiten Blick offenbart sich die Dichte des Raumprogramms eingebettet in die Grünraumplanung der Landschaftsarchitekten West 8 – sie schlossen das Gelände mit weichen Linien und einer natürlichen Bepflanzung an die Sportflächen des Holland-Parks an. Die Rückansicht vom Park aus verdeutlicht, wie die Fassadengestaltung der Apartmenthäuser zwischen dem ehemaligen Commonwealth-Institut und den benachbarten Wohnblöcken aus den 1960er-Jahren vermittelt: Wie Millimeterpapier umzieht sie ein Fassadenraster mit auskragenden Erkern, die mit ihrer zurückhaltenden Erscheinung die mathematisch präzise Kurve des Dachs als urbanes Superzeichen in Szene setzen. Der Apartmentblock am südlichen Ende des Holland-Parks wirkt mit seiner um 45 Grad gedrehten Gebäudeecke als stadträumliche Zäsur in die viktorianische Straßenflucht der Kensington High Street hinein.

Neben der Konzeption könnte vor allem der Prozess Schule machen, mit dem das zweitwichtigste Denkmal der Nachkriegsmoderne nach der „Royal Festival Hall“ in London erhalten wurde. Die Dynamik des Verfahrens ließ allerdings das umfangreiche Raumprogramm so anwachsen, dass heute die Einbauten rund um das Atrium nah an die denkmalgeschützte Tragkonstruktion herandrängen und ihre Sichtbarkeit einschränken. Das Ensemble des Design-Museums kann dennoch für London und darüber hinaus als neues Modell betrachtet werden, wie steigenden Immobilienpreise Kulturinstitutionen einen wachsenden finanziellen Spielraum verschaffen und im gleichen Atemzug sperrige Denkmäler der Moderne vor ihrem sicheren Untergang bewahren können.

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