Zum Selbstverständnis mancher Architekten gehört eine gewisse weltabgewandte Noblesse. Man betont die Besonderheit der eigenen Kaste und begegnet der „Welt da draußen“ mit einem ironisch unterfütterten Unverständnis. Diese Haltung ging gut, so lange die Grenzen zwischen den unterschiedlichen Disziplinen klar abgegrenzt waren. Der Architekt schuf funktionierende, gut aussehende Gebäudelösungen. Der Rest war nicht seine Sache.
Diese Lage aber hat sich verändert. Über Architektur wird gesamtgesellschaftlich diskutiert. Im gebauten Raum spiegelt sich die Gesellschaft – und zwar medienwirksam gerade dann, wenn es um reale oder vermeintliche Missstände geht. Der architektonisch untadelige Neubau des Bischofssitzes in Limburg war hier ein krasses Beispiel. Und wenn bestimmten Gebäuden die mediale Aufmerksamkeit zuteil wird, dann heißt das zwangsläufig auch: Die Architekten selbst geraten ins Visier der Zeitungen, Fernsehkanäle und Blogs. Was auch bedeutet: Sie müssen kommunizieren. Sie müssen sich in der Öffentlichkeit zu ihrem Projekt positionieren, dieses erklären – also „Öffentlichkeitsarbeit“ betreiben.
Wie schnell man sich hier ernsthafte Probleme einhandeln kann, erfuhren gerade Zaha Hadid Architects. Das Londoner Büro baut das Al-Wakrah-Stadion in Katar. Das Problem, neben dem problematischen Charakter des Regimes dort: Im Zuge der WM-Bauarbeiten starben im Land mehr als 1000 Arbeitsmigranten. Hadids Aussage, man habe sich an Recht und Vorschriften gehalten, alles andere gehe sie als Architektin nichts an, ist natürlich zu wenig. Und das wurde dem Büro medial auch zurückgespiegelt.
Und hier geht es mir gar nicht um irgendwelche moralischen Maximalforderungen. Mangelnde PR ist für Büros dieser Größe und Exponiertheit schlicht ein ganz reales Business-Problem. Derlei Äußerungen hängen einer Architekturfirma lange nach – denn das Internet vergisst bekanntlich nicht. Öffentliche Auftraggeber in Europa oder den USA sind daran interessiert, bei jeder neuen Auftragsvergabe schlechte Presse nach Möglichkeit zu vermeiden. Ein drohender Shitstorm wird im Zweifel dazu führen, dass man einem Büro mit einer „reineren“ medialen Weste den Vorzug gibt.
Diese Argumentation gilt auch für kleinere Büros. Kupferschmidt Architekten, ein absolut seriöses Büro aus München, hat in Schwabing ein solides Bürogebäude verwirklicht. Leider war der Abriss des hüttenhaften Vorgängerbaus, in dem die Kultkneipe „Schwabinger 7“ untergebracht war, zum Symbol der Gentrifizierung geworden. So kann schnell eine Debatte entstehen, in der auch der Architekt – ob zurecht oder nicht – mit auf der Anklagebank der Journalisten und Blogger sitzt. Und in der Position leistet ein Architekt auch der Baukultur ganz sicher keinen guten Dienst.