19.12.2018

Wohnen

Freier Seeblick

Auch die Balustraden der Terrassen sind aus Glasplatten


Stahl und Glas

Hoch auf dem Zürichberg reihen sich die Villen aneinander – meist hinter hohen Hecken verborgen. Von hier aus blickt man auf die Dächer der Stadt, den See und – bei guter Sicht – bis zu den Bergen. Doch dazwischen steht ein Sonderling: Statt Putz und Schnörkelgatter, begegnet er einem mit Stahlträgern, großen Fensterflächen und Betondecken. Es ist das sogenannte „House with a missing Column“ von Christian Kerez.


0961_HWMC_6_01_Exterior_GeorgAerni
Die Konstruktion besteht aus drei Paaren galgenförmiger Stabwerke, die an den drei Seiten platziert sind, die nicht zum See gewandt sind.

0961_HWMC_6_42_Interior_GeorgAerni
Die feinen Rahmen der Glasflächen versperren nicht die Sicht auf den See.

Zuvor stand hier ein Altbau mit Seeblick, der die maximal erlaubte Baumasse nicht ausfüllte. Daher fassten die Bauherren den Entschluss, das Gebäude zu Gunsten eines Neubaus abzureißen, der drei Wohnungen beherbergen sollte. Auf der Suche nach dem passenden Architekten, stießen sie durch Zufall auf Christian Kerez. Bei einem Spaziergang durch den Zürichberg kamen sie an einem Wohnhaus vorbei, das Kerez für seine Mutter errichtet hatte – das Apartmenthaus in der Forsterstraße. Beeindruckt von der rohen Kraft des Gebäudes, wussten sie, dass dieser Architekt eines monolithisch anmutenden Betonbaues auch ihr Wohnhaus errichten sollte.

Kerez wählte für diesen Bau allerdings andere dominierende Materialien: Stahl und Glas. Sein Wunsch war es den Ausblick auf den Zürichsee freizugeben und den Innenraum nach außen zu erweitern. Das wird einerseits durch die raumhohen Fensterflächen mit ihren feinen Rahmen ermöglicht, andererseits durch die stützenfreien Räume. Als Resultat gibt es eine freie Sicht auf den See. Zu den Terrassen hin befinden sich Schiebetüren aus Glas, die zwischen den Stahlträgern laufen. Auch die Balustraden der Terrassen sind aus Glasplatten, um der Aussicht nicht im Wege zu stehen.

Fehlende Stütze


0961_HWMC_6_46_Interior_GeorgAerni
Zu den Terrassen hin befinden sich Schiebetüren aus Glas, die zwischen den Stahlträgern laufen.

0961_HWMC_6_48_Terrasse_GeorgAerni
Auch die Balustraden der Terrassen sind aus Glasplatten, um der Aussicht nicht im Wege zu stehen.

Die Konstruktion des Gebäudes ermöglicht stützenfreien Räume. Sie besteht aus drei Paaren galgenförmiger Stabwerke, die an den drei Seiten platziert sind, die nicht zum See gewandt sind. Dort umfassen die Galgenstützen die Nutzungen, die Kerez nach außen gelegt hat: im Norden den Fahrstuhl, im Westen den Haustechnikschacht und im Osten das Treppenhaus, das jedoch nur als Fluchtweg dient. Jeder der drei Galgen besteht aus einer Stütze, die drei Geschosse hoch ist. Auf jedem Geschoss ist ein 12,50 Meter hoher Kragarm eingespannt, der die stützenfreien Wohnflächen ermöglicht.

An der Seeseite fehlt eine Stütze, die man dort eigentlich erwarten würde. Das ist nicht nur dem Seeblick geschuldet, sondern auch dem Baugesetz da der Bebauungsplan vorsah, dass an dieser Stelle des Grundstücks keine Stütze stehen darf. Anstelle der fehlenden Stütze stabilisieren hier Zugstangen die Konstruktion in die horizontale Richtung. Fast unsichtbar ermöglichen sie die schwebenden Kragarme.

Eine große Glasfläche

Die Stütze des Galgens ist in einem Stahlbetonsockel im Erdgeschoss eingespannt. Die horizontal vorgespannten Stahlbetondecken verstärken die Stahlgalgen zusätzlich. Die Stahlträger wechseln sich ab mit den dazwischen liegenden Fenstern. Dadurch wird die gesamte Fassade zu einer einzigen großen Glasfläche, die Ausblicke auf die umliegende Landschaft und Einblicke in die rohe Erscheinung des Gebäudes ermöglicht. Trotz der massiven Konstruktion wirkt das Gebäude transparent und fügt sich in seine Umgebung ein. In Kerez Worten hat der Bau „einen kalifornischen Charme mit Schweizer Isolationsvorgaben“. Um diese subtropische Atmosphäre trotz mitteleuropäischer Temperaturen zu ermöglichen, trennen isolierende Klötze aus Glasfaser verstärktem Kunststoff den Stahlbau im Fassadenbereich thermisch ab.

Alle Bilder von Georg Aerni

Scroll to Top