Schon von Weitem sind die Geschlechtertürme von San Gimignano über den Hügeln der Toskana zu sehen. Prominente Zeugen stolzer Kerle, die mit ihren Türmen die Bedeutung ihrer Familien klärten und ihren Nachbarn zeigten, wo der Hammer hängt. Die leergezogenen Überreste sind heute Zeugen einer längst vergangener Lebensweise.
Scheitern als Chance, die Geschichte ist voller kühner Beispiele von hoch hinauf und tief gefallen. Wie keine Bauaufgabe zuvor vereint das Hochhaus als Typus hochgesteckte Ambitionen und dramatische Misserfolge.
Doch bis ins Mittelalter muss ich gar nicht gehen. Heute sind Wohnhochhäuser mit den Aufräumarbeiten in den Sozialsiedlungen der 60er und 70er Jahre verbunden. Die Grobkonzepte der frei stehenden Hochhausscheiben, umgeben von zugigen Trockenrasenvegetationen und breiten, automobilgerechten Straßen fristen heute ein jämmerliches Dasein an den Rändern der Innenstädte. Sie stehen genauso für geknickte gesellschaftliche Visionen, wie die Geschlechtertürme in der Toskana.
Doch mit dem Wachstum kehrt auch die Idee der Wohnhochhäuser in die deutschen Innenstädte zurück. Skyscraper zum Wohnen haben in den Megametropolen Asiens und Nordamerikas unvermindert Hochkonjunktur. Und auch in London boomt das Geschäft mit der Aussicht. Über 100 Hochhausprojekte mit Wohnraum sind dort nach Angaben des Maklers Knight Frank genehmigt oder auf der Baustelle. Das höchste Wohngebäude Europas, The Shard, steht mit 310 m bereits in London.
Auch wenn diese Dimensionen in Deutschland nicht einmal per Fernglas gesichtet werden, veranstaltet das Deutsche Architekturmuseum alle zwei Jahre den Internationalen Hochhauspreis. Mit der Präsentation des 36 Stockwerke hohen Wohngebäudes Newton Suites aus Singapur von den Architekten WOHA kehrte die Faszination Wohnen im Hochhaus am 10.8.2008 nach Frankfurt zurück. Vor dem Immobilienforum in Frankfurt hielten die Architekten einen für die anwesenden Herren atemberaubenden Vortrag. Auch Peter Cachola Schmal, der Direktor des Deutschen Architektur Museums, war begeistert. Nachbarschaftlich sollte das Hochhaus sein und grün, mit hängenden Gärten, von oben bis unten.
Mittlerweile ist das Thema Trend. Der Turm von Frank Gehry am Berliner Alexanderplatz soll 150 m hoch werden, der Tower 2 im Frankfurter Europaviertel sogar 160 m. Auch der neue Henninger Turm in Frankfurt Sachsenhausen ist 140 m hoch geplant, selbst in Stuttgart Fellbach sollen es 107 m werden.
Mit den seelenlosen Wohnmaschinen der Schlafstädte aus den 60er Jahren haben diese neuen vertikalen Dörfer aber kaum etwas gemein. Wir sprechen hier von Hochhäusern einer neuen Generation. Häuser für eine städtisch differenzierte Gesellschaft mit neuen Bedürfnissen und veränderten Lebenssituationen. Sie entstehen mitten in der Stadt, verkehrsgünstig erschlossen, städtebaulich sorgfältig in ihre Nachbarschaft eingebunden und architektonisch anspruchsvoll geplant. Sie erhalten sinnvoller Weise einen Sockel, der öffentlichen Nutzungen Platz bietet und vor Fallwinden schützt.
Diese Häuser sind nicht Ausdruck männlicher Eitelkeit und wetteifern auch nicht mit dem 828 m hohen Burj Khalifa in Dubai, dem höchsten Gebäude der Welt. Diese superhohen Häuser sind fragwürdige Gewaltmärsche in die Wolken, nur mit enormem Energie-, Material- und Kosteneinsatz zu bewerkstelligen. Bei diesen Türmen geht der Erschliessungs- und Konstruktionsanteil über 50 Prozent. Diese Spielzeuge pubertärer Jungen sind Meisterwerke an Ineffizienz und Energieverschwendung.
Es geht auch nicht um Monsterhäuser für Superreiche oder Paläste für die Upper Class.
Vielmehr geht es um Antworten auf veränderte Wohnbedürfnisse grosser Teile der Bevölkerung und um verträgliche Verdichtungen in den attraktiven Innenstädten.