09.07.2019

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HOAI gilt nicht mehr – und nun?

Als Kolumnist führt man in digitalen Zeiten ein schwieriges Dasein. Die Leser können, anders als früher, über Social Media direkt reagieren. Wohl beraten ist man da, etwas zu schreiben, mit dem man die Zustimmung seiner Leser erringt.

Ich fürchte, dieser Text wird diesbezüglich scheitern. Er schickt sich nämlich an, ein juristisches Urteil positiv zu kommentieren, das den Architekten, also Ihnen, etwas wegnimmt. Nämlich ein Stück Planungssicherheit und verlässliche Mindestsätze für die eigene Tätigkeit. Sie werden es mitbekommen haben – laut Europäischem Gerichtshof verstößt die Honorarordnung für Architekten gegen die EU-Dienstleistungsrichtlinie. Brüssel will den ungehinderten Marktzugang für alle und sieht durch die HOAI den freien Preiswettbewerb unterminiert.

Wie zu erwarten, sieht der Berufsstand die EuGH-Entscheidung kritisch. Der Aufschrei war groß und einhellig. Bei uns artikulierte der Architekt Eike Becker seine Sorgen. Ich verstehe diese. Aber man muss eben auch sagen: Freie Märkte sind nun mal ein wesentliches Ziel der europäischen Politik. Die meisten von uns dürften dies prinzipiell auch gutheißen (obwohl gerade im Architekturdiskurs auch gern mal das grundsätzliche Versagen von Marktmechanismen verkündet wird). Wenn man nun aber dieses erklärte Ziel der EU generell für sinnvoll befindet, sollte man dies auch als direkt Betroffener weiter tun.

Die Grundangst vieler Architekten: Durch die neue freie Preisgestaltung sind Dumping-Angeboten Tür und Tor geöffnet. Und klar ist: Es wird neue Anbieter geben, die die eigenen Leistungen unterhalb der bisherigen HOAI-Mindestsätze anbieten. Dies ist eine Herausforderung – für jedes Architekturbüro, aber auch für die Standesvertreter (Kammern etc.). Es gilt nun, mit neuer Verve für die Qualität der eigenen Leistung zu werben. Es gilt vor allem auch, das eigene Verständnis von Qualität zu erläutern. Es ist ja richtig, bisher wurden über die Honorarordnung auch Verbraucherschutz und Qualitätssicherung betrieben. Hierfür brauchen wir nun neue Mechanismen. Dies aber ist, anders als es manche Untergangspropheten wahrhaben wollen, möglich. Hier sind im Übrigen auch die Einkäufer von Architekturleistungen gefordert, also Bauherren, Entwickler und Investoren. Sie selber müssen (und werden) merken, dass der Zuschlag für den günstigsten Anbieter nicht automatisch zum besten Ergebnis führt – auch nicht wirtschaftlich. Sie müssen kompetenter werden. So geht, sorry dass ich dieses unpopuläre Wort nochmal verwenden muss, Markt.

Der Präsident des Bundesverbandes der Freien Berufe nannte das Urteil „enttäuschend“. „Zugunsten des Preises den Rotstift bei der Qualität anzusetzen, das ist auch im Bereich des Bauens verfehlt“, kritisierte er. Und mit Letzterem hat er ja auch Recht. Für mich heißt das aber vor allem: Es ist nun an der gesamten Architektenschaft und der Baubranche, dafür zu sorgen, dass genau das nicht geschieht.

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