14.07.2014

Wohnen

Geförderter Wohnungsbau

„Das A und O aller Klein- oder Arbeiterwohnungen ist ihre Kleinheit, in ihr liegen – im Vergleich mit allen sonstigen Wohnungen – alle besonderen Vorzüge wie alle besonderen Nachteile; will man eine Kleinwohnung wesentlich verbessern, so gibt es im allgemeinen nichts Wirksameres als die Vergrößerung, aber mit jeder Vergrößerung der Kleinwohnung wird auch ihre besondere Problematik wesentlich problematischer; z.B. wenn man bei der Planung von Kleinwohnungen reichlich große Raummaße annimmt, wird ihre Verwirklichung nicht selten unmöglich“ schreibt Heinrich Tessenow 1909 in seinem im Verlag Georg D.W. Callwey erschienen Buch „Wohnhausbau“.

Aber Tessenow hadert in der Folge nicht mit dieser Bauaufgabe, er entwickelt vielmehr in der ihm eigenen Art – einer Mischung aus Nüchternheit, Sprachwitz und scharfsinniger Beobachtungsgabe – ein präzises Manual zum Bau von Kleinwohnungen und Kleinhäusern.

Das Schöne daran ist aber, dass es eben nicht um irgendwelche Architektenspleens oder Weltverbesserungsformeln wie bei Le Corbusier geht, sondern sozusagen um das seriöse „Handwerk“ des Baus von würdevollem, wenn auch sehr effizientem Wohnraum, der gleichzeitig auch eine Idee von öffentlichem und privatem Freiraum aufscheinen läßt. Es geht also in diesem Sinne vielleicht nicht um „Baukunst“ aber ganz sicher geht es um die kunstvollen Aspekte des alltäglichen Bauens.

Tessenow schreibt: „So wie der deutlichste Verfall der baulichen Kultur in Europa – (herrje, mit welch einem Kulturpessimisten haben wir es denn hier zu tun!) – seit Ausgang des vorigen Jahrhunderts bis heute her begleitet wurde und begleitet wird durch eine allgemein betonte Hochschätzung des Eigenartigen, des Auffallenden, des ‚Übergescheiten’ usw., so sind alle auffälligen Neuerungen oder Eigenartigkeiten immer unbaumeisterlich, und soweit es uns unmittelbar um Baumeisterlichkeit zu tun ist, können wir die alltäglichsten, simpelsten Fragen kaum genung beachten; ihre zuverlässige Beantwortung ergibt das allein tragfähige Fundament aller Baukultur.“

Die baulichen Ergebnisse dieser Haltung stehen naturgemäß unter heutigen Gesichtspunkten im Verdacht größter Biederkeit. Und trotzdem hätte man als junger Architekt große Lust sich mit ähnlicher Seriösität an das heute nicht minder aktuelle Thema von „leistbarem“ Wohnraum zu machen – gerade in einer Stadt wie München. Und man würde gerne all seine (unverbrauchte) architektonische Intelligenz (auch wenn sie nicht an diejenige von Tessenow heranreichen mag) aufbringen und das tun, was wir Architekten – wenn wir denn unsere egomanischen Neigungen im Zaume zu halten vermögen – vermutlich immer noch am besten können: Lebensraum erst zu imaginieren, zu durchdenken, ihn zu planen und dann baubar zu machen! Da können mir die Anhänger von Bottom Up und Partizipation viel erzählen – ohne Planung entstehen auch heute keine brauchbaren (städtischen) Räume und Wohnungen.

Zugegeben, wenn man sich einen Großteil der Münchner Neubauviertel ansieht, dann stimmt die Umkehrung natürlich noch lange nicht, mit Planung entstehen natürlich keineswegs zwangsläufig gute Viertel. Ja und warum jetzt der ganze Konjunktiv? Wenn es die Arrivierten offensichtlich nicht richtig hinbringen, dann macht Ihr es doch, junge Architekten!

Schön wär’s! Aber solange unter dem Schwerte der VOF die Voraussetzung für die eine Planung bereits viele vorherige Planungen und Realisierungen sind – nahezu egal von welcher Qualität – dann beisst sich die Katze eben mal wieder in den Schwanz. Und wie wir wissen ist davon noch kein Schwanz besser oder gar schöner geworden … Ach herrje in welches Gejammer driftet das hier ab! Schluss damit! … obwohl einer geht noch:

Denn wie sagte in einem Gespräch jüngst ein (älterer) leitender städtischer Beamter: Für die schlechte Qualität im Wohnungsbau sind wir nicht zuständig – oder verantwortlich – oder zumindest halt nicht schuld daran. In jedem Fall aber möchte er an den Prozessen nichts verändert wissen. Denn, und jetzt pass auf, wenn wir etwas Neues ausprobieren, wissen wir ja vorher nicht, ob es überhaupt besser wird.

Na dann, gute Nacht … Fortsetzung folgt …

Illustration: Scan aus Heinrich Tessenow, „Wohnhausbau“, Neuausgabe, Rostock, 2008, S. 132/133

 

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