Die Seele früherer DDR-Bürger wurde mehr als gestreichelt, als der umgebaute, modernisierte Dresdner Kulturpalast Ende April 2017 seine Pforten öffnete. Er ist mehr als Ostalgie, nämlich ein vielseitiger Stadtbaustein. Nun erhielt er den Architekturpreis des Deutschen Architektur-Museums 2019.
Außen alt, innen neu
Die Dresdner hatten es sich gewünscht, und so hatte es der Stadtrat nach heftigen Debatten in der Bürgerschaft beschlossen: Der Kulturpalast, dieses als Multifunktionshaus errichtete, ohne Rücksicht auf den einstigen Stadtplan an die Nordseite des in den fünfziger Jahren bebauten Altmarkts gestellt und 1969 im Abendglanz der Ulbricht-Ära eröffnet, blieb erhalten.
Errungenschaften im Wandbild
Außen alt, innen neu, das war, grob gesprochen die Vorgabe, die sich die Gewinner des Architekturwettbewerbs von 2009, von Gerkan Marg und Partner (gmp) aus Hamburg, in einer Weise zu eigen machten, die beide Seiten, die Traditionalisten und die Neuerer, glücklich macht. Denn bis der Besucher den ganz und gar neu errichteten Konzertsaal betreten hat, durchschreitet, ja durchlebt er DDR-Vergangenheit – freilich in einer Qualität von Material und Ausführung, die sich Architekten der DDR nur hätten wünschen mögen. Zumindest muss es den Erstbesuchern des Jahres 1969 ebenso vorgekommen sein wie dem Neugierigen von heute – so makellos leuchten die quadratischen Deckenleuchten inmitten der „Moki“-Deckenplatten auf den Natursteinboden des Eingangsfoyers beziehungsweise den hellroten TeppichbodenEin Teppichboden ist ein langer, schmaler Teppich, der in einer Rolle geliefert wird und zur Verlegung auf großen Flächen genutzt wird. Er besteht aus geknüpften oder gewebten Textilfasern und eignet sich besonders für den Einsatz in Privat- und Geschäftsräumen. der oberen Foyers. Beider gliedert der regelmäßige, durchgehende Vierkantpfeiler des konstruktiven Gerüsts.
Es herrscht strenge Symmetrie: Beidseits führt eine doppelläufige Treppe erst in ein Zwischen-, dann ins Obergeschoss. Im dortigen Pausenfoyer, von dem aus der Blick durch die wandhohe Vollverglasung auf den Altmarkt und die belebte Wilsdruffer Straße fällt, kündet über den Saaltüren und einem kleinen, eingelassenen Pausenbuffet ein friesartiges Wandbild von den Errungenschaften Sozialismus-Kommunismus, „Kosmonauten“ – wir schreiben 1969! – inbegriffen.
So wie früher – nur besser
Außen blieb der Kulturpalast wie er war, natürlich auch mit dem – seitlich und von jeher merkwürdig versteckt angebrachten – Wandmosaik „Die Farbe Rot“. Allerdings gibt es eine ganz wunderbare Verbesserung: Das bronzebraun bedampfte WärmeschutzglasWärmeschutzglas: Wärmeschutzglas ist ein spezielles Glas, das durch eine Beschichtung auf der Oberfläche oder eine spezielle Gasfüllung im Scheibenzwischenraum besonders gute Dämmeigenschaften gegen Wärmeverluste aufweist. von dunnemals konnte durch wärmedämmendes Klarglas ersetzt werden. Jetzt kann man also ebenso gut hinein- wie hinausgucken. Aus einiger EntfernungIn der Architektur bezeichnet Entfernung die Distanz oder den Abstand zwischen zwei Punkten oder Objekten. Diese Entfernung kann horizontal oder vertikal gemessen werden. vom Gebäude sieht man die metallverkleidete Dachhaube über dem Konzertsaal. Auch sie ist ein sorgfältig saniertes Ursprungs-Bauteil – und dasjenige, das aus der Ferne erkennen lässt, dass hier kein Verwaltungsgebäude breit an der Straße lagert, sondern ein Festsaal sich erhebt. Jetzt, endlich, kann man ihn ganztags betreten, benutzen und einfach nur genießen.
Bilder: Christian Gahl, gmp Architekten, Deutsche Fotothek
Den gesamten Beitrag finden Sie im Baumeister 10/2017, Seite 34