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Draußen ist das neue Drinnen

von Alexander Gutzmer
09.06.202010.06.2020
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  • Kolumnen

Corona liess Orte der Kunst verwaisen – Museen und Galerien waren lange geschlossen. Mittlerweile dürfen sie wieder Besucher empfangen. So auch das Museum1 in der Schweiz. Kolumnist Alexander Gutzmer besuchte die kuratorisch überformte Freifläche und fand sich in einer Location wieder, die die Grenzen zwischen Körper und Raum hinterfragt.

Leicht hatten wir es in den vergangenen Wochen alle nicht. Mit am krassesten war die Corona-Herausforderung aber sicher für den Kunstbetrieb. Ausstellungen abgesagt, Museumsorte (als klassische Sloterdijksche Kollektoren von Menschen) zu potenziellen Virenschleudern und folglich zu gemiedenen Unorten verkommen. Das alles lockert sich nun sukzessive. Jedoch bleibt die Frage bestehen, die der Lockdown aufwarf: Was ist eigentlich ein Museum, was ist überhaupt ein Art Space? Was sind seine Versprechungen? Welche Rolle spielen räumliche Grenzziehungen, aber im Gegensatz dazu auch Konzepte wie Unbestimmtheit, Undeterminiertheit und Unsicherheit für sein „Funktionieren“ – was auch immer wir unter Funktionieren verstehen?

Es gilt also, Denkräume zu schaffen, die die gesellschaftliche Rolle von Museen reflektieren. Genau einen solchen Denkraum habe ich gestern besucht: Nämlich eine kuratorisch überformte Freifläche am Rande des schweizerischen Luzern. Das „Museum1“ im Örtchen Adligenswil stellt, nüchtern formuliert, zunächst eine überwachsene Landschaft dar, auf der sich Kunstschaffende kreativ verlustieren können. Aber genau dieser „wilde“, radikal offene Charakter macht aus dieser vor-musealen Improvisierfläche einen höchst zeitgemäßen Ansatz. Denn in coronisierten Zeiten stellt Outdoor ja quasi das neue Indoor dar, die neue Avantgarde, den Ort höherer Wertigkeit, an den künstlerisch strebt, wer immer kann.

Schockmomente zwischen Körper und Raum

Wer draußen ist, ist kunstbereit, weil der verfluchte Virus hier keine Dominanz entwickeln kann. Und so ist ein Ort, der wie dieses vom lokalen Künstler und Kurator Stephan Wittmer initiierte, hauslose „Museum“ ein ungemein zeitgemäßer Ort, eine Location, wie sie die Kunst braucht – und wie sie sie sicher zunehmend bekommen wird. Vielleicht ist ja alle Kunst künftig Outdoor – oder reflektiert in Folge Heideggers zumindest unser Verhältnis zu Konzepten von drinnen und draußen.

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Die in goldfarbene Folie eingewickelte Baracke als Indoor-Komponente.

 

Die Ausstellung, die jetzt in Adligenswil eröffnete, leistet genau diese Reflexion von drinnen und draußen. Und sie hat auch eine Indoor-Komponente. Genauer gesagt eine kleine, in goldfarbene Folie eingewickelte Baracke. Darin haben die Künstlerinnen Barbara Hennig Marques und Olivia Lecomte eine Installation aus video-narrativen und plastischen Elementen gefertigt. Im Zentrum ihrer Ausstellung steht die Frage nach der (primär weiblichen) Körperlichkeit, was in der Baracke nicht zuletzt durch einen humanoid anmutenden, mit Sägespänen gefüllten Damenstrumpf verdeutlicht wird.

Das Schockmoment quasi-menschlicher Objekte setzt sich im Außenraum fort, wo viele weitere dieser an Gliedmaßen erinnernden Objekte scheinbar beiläufig in die Landschaft gehängt sind. Sie alle zeichnen einen Gegensatz auf zwischen Körper und Raum, hinterfragen den Körper im Raum.

Dekadente Lässigkeit

Erweitert wurde dieser Ansatz durch eine Performance der beiden Künstlerinnen zur Ausstellungseröffnung. In schwarze Ganzkörper-Strumpfhosen gekleidet, staksten sie auf High Heels heroisch durch das unebene Grasland des Museums. Schon das Zuschauen tat weh. Die Voyeurs-Disposition, in der man sich als Betrachter wiederfand, steigerte sich durch das Ende der Performance noch. Da führte Lecomte Hennig Maqques an einem Halsband aus der erwähnten goldenen Folie in der Wiese herum.

Mich hat die Inszenierung fasziniert – nicht zuletzt weil sie an Fragen korporealer Versehrbarkeit und Angreifbarkeit rührt. Fragen wie diese sind heute aktueller denn je. „Safe Spaces“ gibt es nicht. Und es muss sie vielleicht auch nicht geben. Nötig sind stattdessen räumliche Strategien, die eine Art humaner Widerstandsfähigkeit ermöglichen. Nach solchen Orten sollten wir alle gemeinsam suchen. Hier ist auch die Architektur gefragt.

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Das Ende der Performance: Zwei im Erdreich eingebuddelte Flaschen Champagner.

Fotos: Alexander Gutzmer

Dazu passt auch der Titel der Ausstellung: „Urban Search, Decadent Rescue“. Denn natürlich ist in diesem Kontext auch die Frage nach dem, was wir unter „urban“ verstehen, auf neue Weise aufgeworfen. Und welche dekadente Rettung findet statt? Nun, womöglich liegt die Rettung (für uns alle) ja im Zulassen von Fragilität, auch in der Fähigkeit, angesichts existenzieller Krisen nicht eine gewisse Lässigkeit, vielleicht auch Anmut zu verlieren. Jene Lässigkeit, die natürlich auch dekadent genannt werden könnte, zeigten die beiden Künstlerinnen jedenfalls am lustigen Ende der Performance: Da köpften sie zwei im Erdreich eingebuddelte Flaschen Champagner.

„Urban Search, Decadent Rescue“ läuft noch bin zum 4. Juli.

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