Schockmomente zwischen Körper und Raum
Corona liess Orte der Kunst verwaisen – Museen und Galerien waren lange geschlossen. Mittlerweile dürfen sie wieder Besucher empfangen. So auch das Museum1 in der Schweiz. Kolumnist Alexander Gutzmer besuchte die kuratorisch überformte Freifläche und fand sich in einer Location wieder, die die Grenzen zwischen Körper und Raum hinterfragt.
Leicht hatten wir es in den vergangenen Wochen alle nicht. Mit am krassesten war die Corona-Herausforderung aber sicher für den Kunstbetrieb. Ausstellungen abgesagt, Museumsorte (als klassische Sloterdijksche Kollektoren von Menschen) zu potenziellen Virenschleudern und folglich zu gemiedenen Unorten verkommen. Das alles lockert sich nun sukzessive. Jedoch bleibt die Frage bestehen, die der Lockdown aufwarf: Was ist eigentlich ein Museum, was ist überhaupt ein Art Space? Was sind seine Versprechungen? Welche Rolle spielen räumliche Grenzziehungen, aber im Gegensatz dazu auch Konzepte wie Unbestimmtheit, Undeterminiertheit und Unsicherheit für sein „Funktionieren“ – was auch immer wir unter Funktionieren verstehen?
Es gilt also, Denkräume zu schaffen, die die gesellschaftliche Rolle von Museen reflektieren. Genau einen solchen Denkraum habe ich gestern besucht: Nämlich eine kuratorisch überformte Freifläche am Rande des schweizerischen Luzern. Das „Museum1“ im Örtchen Adligenswil stellt, nüchtern formuliert, zunächst eine überwachsene Landschaft dar, auf der sich Kunstschaffende kreativ verlustieren können. Aber genau dieser „wilde“, radikal offene Charakter macht aus dieser vor-musealen Improvisierfläche einen höchst zeitgemäßen Ansatz. Denn in coronisierten Zeiten stellt Outdoor ja quasi das neue Indoor dar, die neue Avantgarde, den Ort höherer Wertigkeit, an den künstlerisch strebt, wer immer kann.
Wer draußen ist, ist kunstbereit, weil der verfluchte Virus hier keine Dominanz entwickeln kann. Und so ist ein Ort, der wie dieses vom lokalen Künstler und Kurator Stephan Wittmer initiierte, hauslose „Museum“ ein ungemein zeitgemäßer Ort, eine Location, wie sie die Kunst braucht – und wie sie sie sicher zunehmend bekommen wird. Vielleicht ist ja alle Kunst künftig Outdoor – oder reflektiert in Folge Heideggers zumindest unser Verhältnis zu Konzepten von drinnen und draußen.