07.12.2023

Gewerbe

Deutscher Alpenverein: Lowtech hochintelligent

Holz Nachhaltigkeit
Verwandlung eines ausgedienten Verlagshauses. Die solide Substanz des Bauwerks von Kurt Ackermann lohnte den Weiterbau mit Holz. Foto: PK Odessa – Lanz und Schelz
Verwandlung eines ausgedienten Verlagshauses. Die solide Substanz des Bauwerks von Kurt Ackermann lohnte den Weiterbau mit Holz. Foto: PK Odessa – Lanz und Schelz

Für den Deutschen Alpen­verein verwandelte das Archi­tekturbüro Element A das ehemalige Verlagsgebäude von Langenscheidt im Norden von München in ein konse­quent nachhaltiges Quartier: Es überrascht nicht nur mit einem vorgestellten und auf­gestocktem Holzbau, sondern besitzt auch ein cleveres Lüftungskonzept, das passi­visch kühlt.

In der Münchner Parkstadt Schwabing stand ein altes Verlagsgebäude mit Aluminium­-Bandfassa­den in unmittelbarer Nähe zur Stadtautobahn Petuelring und der A9. Anfang der 1970er­ bezie­ hungsweise 1980er­ Jahre hatte das Büro Kurt Ackermann und Partner dort den Hauptsitz des Langenscheidt­-Verlags in zwei Bauabschnitten mit einer Tiefgarage und vier Bürogeschossen ge­plant. Direkt angebaut im Westen, befindet sich übrigens eine neuere Verlagserweiterung, in der seit 2015 die CSU­-Parteizentrale ihren Sitz hat.
Der Deutsche Alpenverein (DAV) hat nun die lo­benswerte Aufgabe übernommen, das Haus aus den 1970ern für den Sitz seiner neuen Bundes­geschäftsstelle zu revitalisieren. Als Eigentümerin und Nutzerin wollte der DAV bewusst Signale set­zen und entschied sich daher für den Erhalt des Bestandsgebäudes statt eines ressourcenverbrau­chenden Abrisses und Neubaus. „Das war schon die Vorgabe für den geladenen Wettbewerb“, erklärt der Projektleiter Christian Taufenbach vom Büro Element A, das im Juni 2018 schließlich den Auftrag bekam. „Denn Bergsteigen, Klettern und Hütten zu betreiben ist nur ein Teil dessen, was der Alpenverein tut. Er ist auch der größte Naturschutz­ verband Deutschlands, und so waren die Stich­ worte für die neue Bundesgeschäftsstelle auch klar und schnell gesetzt: ressourcenschonend, kreativ, nachhaltig, einfach. Deshalb sollte die graue Energie des Betonskelettbaus nicht abgebrochen, sondern erhalten werden.“
Aber daraus ergab sich ein fast unmöglicher Um­bau, führt Christian Taufenbach weiter aus. „Die Brüstungen waren zu hoch, und die Decken zu niedrig für ein heutiges Multi­-Space-­Konzept. Zudem war die Gründung zu schwach für ein Auf­stocken im Massivbau.“

Foto: PK Odessa – Lanz und Schelz
Fotos: PK Odessa – Lanz und Schelz
Die kluge Erneuerung des Bestandsgebäudes lässt die jüngeren Stahl- und Glastürme in unmittelbarer Nachbarschaft relativ alt aussehen.
Foto: PK Odessa – Lanz und Schelz

Weiterbauen mit Holz

Dass dieses Gebäude heute das älteste Haus der Parkstadt Schwabing ist, sieht man ihm nicht an. „Von außen betrachtet bleibt verborgen, dass der Betonkern des Altbaus fast vollständig erhalten ist“, freut sich Christian Taufenbach. „Wir haben das alte Gebäude wortwörtlich umbaut: zwei Ge­schosse aus Holz­-Massivbau aufgestockt und ein Atrium davorgestellt. Einige Stützen wurden ver­stärkt und im Keller Fundamente ertüchtigt.“
Die Entwurfsplanung von Element A setzte den Wunsch des DAV nach Nachhaltigkeit und verant­wortbarem Umgang mit der Umwelt konsequent um. Holz, Glas und Begrünung sind daher charak­teristisch für die neue Gebäudehülle, die sich ganz deutlich von der umliegenden Bebauung mit ihren monumentalen Bürotürmen aus Stahl und Glas wie „Skyline Tower“ oder „Highlight Towers“ nebenan absetzt: Das Bestandsgebäude erhielt eine neue Holz­-Pfosten-­Riegelfassade. Nur die Schraub­kanäle und Deckleisten bestehen hier aus Nachhaltigkeitsgründen aus Aluminium, betont Chris­tian Taufenbach.
Auf der West­ und Ostseite wurde über fünf Ge­schosse eine rund 1,5 Meter tiefe Holzstruktur errichtet. Die dortigen Pflanzkästen sind mittler­weile gut eingegrünt. „Hier orientierten sich die Landschaftsarchitekten an der Flora der Alpenwelt“, erläutert Christian Taufenbach. „Latschenkiefer, Felsenbirnen, Waldrebe und Clematis wachsen daher darin.“ Neben der Begrünung sorgt auch das vorgestellte Holzgerüst für Schatten. „Die gro­ßen Fensterfronten kommen in vielen Bereichen ohne außenliegenden Sonnenschutz aus“, erklärt er. „In aufwendigen Simulationen wurde die Verschattung durch die Umgebungsbebauung und die Begrünung untersucht.“ Die beiden hinzuge­fügten Stockwerke in Holzbauweise reduzieren nicht nur die Zusatzlast für die Bestandsstatik, son­dern auch die graue Energie. „So bindet schon die Konstruktion langfristig Treibhausgase – bis hin zu der F30-­Bekleidung der schweren Stahlträger der neuen Obergeschosse.“
So zieht sich der Nachhaltigkeitsgedanke als Ge­staltungskonzept bis in die oberste Etage. Auf dem neuen Flachdach neben der Cafeteria hat der DAV sogar Bienenstöcke platziert. Im Norden erweiter­te Element A das Gebäude um ein Atrium mit einem über alle Geschosse offenen Treppenhaus. Das Erdgeschoss ergänzte das Büro mit einem Konferenzsaal als eine Art Pavillon im Gartenbereich auf der Westseite des Gebäudes. „Im Gebäudeinneren waren wir darauf bedacht, die alte Bau­substanz zu erhalten und sichtbar zu machen,“ erklärt Christian Taufenbach. Besonders gut er­kennbar wird die Einheit aus Altem und Neuem im Atrium. Dort ist die alte Gebäudekante aus Beton und die Verbindung zur neuen Glas-­Holzhülle deutlich auszumachen.

Foto: PK Odessa – Lanz und Schelz
Fotos: PK Odessa – Lanz und Schelz
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Foto: PK Odessa – Lanz und Schelz
Foto: PK Odessa – Lanz und Schelz
Foto: PK Odessa – Lanz und Schelz

Gutes Arbeitsklima

Besonders innovativ und ressourcenschonend ist auch das Klimakonzept der neuen DAV-­Bundes­geschäftsstelle, denn hier war von Anfang an ein energieeffizienter Ansatz mit reduzierter Technik gefragt. Das nun gemeinsam von den Architekten und TranssolarKlimaEnginieering entwickelte Sys­tem ist eine intelligente Lowtech­-Lösung: Der Clou ist ein natürliches Lüftungssystem – ganz ohne kon­ventionelle Klimaanlage. Das Lüftungselement stellt eine neue Lösung im Brüstungsaufbau dar, die für Frische ohne Zugluft bei akustischem Kom­fort sorgt. Sie wurde in alle Bürobereiche eingebaut. Das Element, üblicherweise über dem Fenster montiert, wird bei diesem Projekt boden­nah in die Fassade eingebaut. „Es aktiviert die Substanz, grenzt Lärm von außen aus und schafft eine hervorragende Arbeitsatmosphäre,“ betont Christian Taufenbach.
Das Lüftungselement setzt dabei auf die Grund­lagen der Physik: Die Luft kommt von außen herein, fällt nach unten und wird wieder durch thermi­schen Auftrieb über den Konvektorschacht nach oben gezogen. Zwei zentrale Luftschächte orga­nisieren die Nachströmung und auch die sommer­liche Nachtauskühlung. „Eine mechanische Kli­matisierung des Gebäudes konnte so ohne Einbu­ßen an thermischem Komfort komplett entfallen: eine Energieeinsparung von ursprünglich errech­neten 520 Kilowatt auf null“, begeistert sich Chris­tian Taufenbach.
Damit präsentiert sich die Bundesgeschäftsstelle des DAV als zeitgemäßes und konsequent nach­haltiges Bürogebäude, das auch den Bestand nicht verleugnet. „Gebäude wie dieses stehen überall“, betont Christian Taufenbach. „Unser Umbau zeigt, dass man sie nicht abreißen muss, son­dern sie in hervorragender Qualität neu nutzen kann.“

Die Bundesgeschäftsstelle des Deutschen Alpenvereins wurde für den Deutschen Nachhaltigkeitspreis 2023 in der Kategorie Architektur nominiert. Was das Gewinnerprojekt ist, erfahren Sie hier.   

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