19.01.2016

Produkt

Design als Prozess und Vorstellung

Leicht hat sie es nicht, die Möbelmesse IMM in Köln. Deutsche Städte im Winter sind nun einmal nicht die Lieblichkeit selbst. Das Sylvester-Drama am Kölner Hauptbahnhof hat, wie mir ein Taxifahrer versichert, die Designschau Besucher gekostet. Und dann gilt Köln eben auch immer als kleine, pragmatische und nur halb glamouröse Schwester des Salone del Mobile in Mailand.

Doch vielleicht macht so eine Position hinter der Pole Position ja auch frei. Diesen Eindruck jedenfalls konnte man gewinnen, wenn man gestern durch Halle 4 der diesjährigen IMM schlenderte. Da fand ein Talk statt, der so ungewöhnlich wie grenzüberschreitend agierte. Der Theoretiker Friedrich von Borries und der Stardesigner Konstantin Grcic plauderten mit dem Chefredakteur der Zeitschrift Form über die Grenzen des Designs. Und da ging es dann eben um andere Inhalte als um die üblichen Produktbesprechungen.

Man hinterfragte die sozialen Möglichkeiten von Design. Und das nicht im luftleeren Theorieraum, sondern anhand der aktuellen Ausstellung „Design Display“ in der Autostadt Wolfsburg. Über wechselnde konkrete Objekte wird dort die Möglichkeit hinterfragt, über Gestaltung die Gesellschaft zu verbessern. „Design als Prozess“ nannte von Borries das gestern. Der Gestalter von Dingen wird in dieser Perspektive zum Entwerfer einer anders, alternativ funktionierenden Welt. Er schafft Möglichkeiten, er lenkt die Blicke und die Aufmerksamkeit von Menschen. Diese Vorstellung kann zwar naiv oder allzu optimistisch wirken. Aber wer, wenn nicht die Gestalter, sollen denn einer gestaltungsfixierten Welt den Weg zu neuen Ausdrucks- und Lebensmöglichkeiten eröffnen? Und die allzu frühe Selbstbeschränkung des Designs im Sinne einer anpasslerischen Akzeptanz vermeintlich marktorientierter Kundenwünsche ist auch nicht die Lösung.

Ein Beispiel liefert in der Autostadt-Ausstellung beispielsweise die „Raptor Hand Reloaded“. Im Kern handelt es sich dabei um eine Handprothese. Per 3D-Druck kann man sie schnell und eben nicht nur in High Tech-Laboren produzieren. Die Druckvorlagen sind im Internet frei verfügbar. Eine Prothese für jedermann. Die Designer des „e-Nable-Netzwerkes“ haben so ein Stück Design entworfen, dass real neue Möglichkeitsräume eröffnet. Weil sie nämlich die gesellschaftlichen Chancen des 3D-Druckes austestet. 1500 Menschen in 40 Ländern haben über das e-Nable-Netzwerk bisher eine 3D-gedruckte Handprothese bekommen. Vor allem aber ist dies ein Beispiel dafür, dass Design mehr kann als schöne Hüllen liefern.

Obwohl die natürlich auch wichtig bleiben, wie Köln auch in diesem Jahr wieder zeigt.

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