21.05.2014

Portrait

Das Elend der Architekten

… und nahm den Zwischenraum heraus und baute draus ein großes Haus (*C. Morgenstern)

Was sind denn diese Zwischenräume, aus denen man ein Haus bauen könnte?

Wenn es solche gibt, so haben sich diese Gestaltungsräume in unserer Retrogesellschaft, die Innovation legistisch verwalten will, sehr verengt. Die Gestaltungsräume in der Architektur und zwischen den Gewerken haben sich verschoben, wobei die Haustechnik – siehe Nachhaltigkeit – bald nicht mehr nur 40% des Baubudgets, sondern bald 80% beanspruchen wird. Und die Helden sind dann nicht mehr die Architekten – und das sollte man jedem Architekturstudenten sagen – sondern die meist fantasielosen Klimatechniker, ähnlich wie Steuerfahnder, die die neuen Heroen unserer Gesellschaft geworden sind. Die Doppelmoral ist laut und deutlich.

… Der Architekt jedoch entfloh nach Afri- od- Ameriko (*C. Morgenstern)

Heute eher nach Afrika, wo es doch Mode geworden ist, im Schatten der Lehmuniversität von Timbuktu gebastelte Projekte zu errichten, die sofort von Kuratoren und Theoretikern, Kritikern zum neuen Architekturtrend stilisiert werden.

Erst neulich waren in der renommierten Süddeutschen auf den Modeseiten Dirndl und Lederhosen als neuer Trend zu bewundern, auf der Architekturseite wurde irgendeine lehm-lahme Schule als neue Architekturrichtung gehypt. „Denke global – baue sozial“ war das Schlagwort. Sozial mag stimmen – für Studenten ist Bauen in Entwicklungsländern eine unersetzliche Erfahrung – aber global ist in diesem Zusammenhang lächerlich, wenn man bedenkt, dass gerade in Afrika die Straßen, Brücken und sogar Parlamente von China finanziert und auch gebaut werden. Es wäre vielleicht  intelligent gewesen, diese Zusammenhänge aufzuzeigen.

Wenn man heute über Architektur spricht, dann spricht man meistens nur über die Spitze eines Eisbergs. Die unsichtbare Architektur jedoch wird nie analysiert, obwohl wir alle wissen, dass der nicht sichtbare Teil des Eisbergs der gefährlichere ist (siehe Titanic). Dabei ist aber gerade die unsichtbare Architektur – also Gesellschaftsästhetik, Politik, Ökonomie und Gesetze – der größte Einflussfaktor auf das sichtbare Gebäude. Da die Architekten versuchen, ihren Beruf  ernstnehmend, mit diesen Faktoren bewusst oder unbewusst zu dealen, sind sie unbemerkt zu Erfüllungsgehilfen von Geschmack-, Stillosigkeiten und des Kapitals geworden.

Nachdem wir vergessen haben, dass Architektur nicht allein bauen heißt, sondern – um Hans Hollein die letzte Ehre zu geben – „die Architekten aufhören müssen, in Gebäuden zu denken“, sind sie getrieben von dem Ziel, koste es, was es wolle, Gebäude zu errichten, in unserer Zeit zu vorauseilendem Gehorsam und innerlichem Zwang verdammt. Das heißt, um den Auftrag ja nicht zu verlieren, sind sie, ohne es zu überprüfen, vorauseilend gehorsam gegenüber den ästhetischen, ökonomischen und funktionalen Gesetzen des Bauherrn – der nicht mehr „Herr“, sondern nur mehr „Bau“ ist – geworden. Weil das aber alles schwer zu ertragen ist, finden die Architekten das Ganze auch noch schön und richtig: Das nennt man dann verinnerlichten Zwang.

Viele Architekten raufen sich um einen Auftrag. Daher sind sie, wie die Sardinen im Haifischmeer der Investoren, am Ende der Futterkette. Leider  besitzen sie keine Schwarmintelligenz.

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