Bei dieser imposanten Naturkulisse ist jede Brücke nur Statist“, meint Architekt Stefan Marte. Die Kulisse, das ist das wildromantische Tal entlang des Flusses Ebniterach, wie die Dornbirner Ache an ihrem Ursprung heißt. Auf der Fahrt durch das Tal beeindrucken enge Kurven, steile Bergwände, schmale Schluchten, bizzare Felsformationen, roh in den Stein gehauene Tunnel – und nicht zuletzt zwei schlichte, elegante Betonbrücken, die man in diesem Naturschauspiel während der Fahrt beinahe übersehen könnte.
Die Route führt von Dornbirn, mit knapp 50.000 Einwohnern die größte Agglomeration Vorarlbergs, zum Feriendorf Ebnit in einem nahen Hochtal. Das Bergdorf wurde von Walsern gegründet. Die aus dem Schweizer Wallis stammenden Siedler machten zahlreiche Alpentäler urbar. Erst seit den 1920er Jahren verbindet eine Straße die einst schwer zugängliche Siedlung Ebnit mit der Stadt.
Die Investition in diese Passage durch schwieriges Gelände führte gemeinsam mit einer Brandkatastrophe zu finanziellen Schwierigkeiten der kleinen Gemeinde, so dass diese in den 1930ern der Stadt Dornbirn angegliedert wurde.
Der Bau neuer Brücken war notwendig geworden, da die alten schadhaft waren. Bei der ersten, 2005 errichteten Schanerlochbrücke interpretierten Marte.Marte Architekten gemeinsam mit M+G Ingenieuren die archaische Form der Bogenbrücke. Allerdings musste dieser Entwurf zudem die Kurve der Bergstraße in einer Krümmung weiterführen. Und so zeigt sich ein eleganter Schwung in einer Drehung auf der Unterseite. Die 23 Meter lange, in sich gewundene Bogenkonstruktion war im felsigen Terrain nicht nur eine bautechnische Herausforderung – über die enge Bergstraße können nur maximal zwölf Meter lange Einzelteile transportiert werden.
Insgesamt wurden rund 180 Kubik Beton verarbeitet. Die Schaufelschluchtbrücke Mit dem Entwurf für die erste Brücke wurde die Gestaltung für zwei weitere notwendige Brückensanierungen mitkonzipiert. Die Schaufelschluchtbrücke konnte 2012 realisiert, die dritte Brücke, die Kohlhaldenbrücke, soll 2016 gebaut werden. Die Schaufelschluchtbrücke spannt sich über eine schmale Schlucht und wirkt optisch wie ein Steg, der von der Straße auskragt und an die gegenüberliegende Felswand, dort wo die Straße in einem Tunnel verschwindet, vorsichtig andockt.
Konstruktiv wird der 16,5 Meter lange Bau als halbe Bogenbrücke an der Felswand abgefangen. Die skulpturale Form reagiert wiederum in einer Drehung auf die Krümmung der Straße. An der dünnsten Stelle ist der auch konstruktiv minimalistisch ausgeführte Stahlbetonbogen nur 50 Zentimeter breit. Zurückhaltend, schlicht aber gleichzeitig spektakulär in ihrer Gestaltung fügen sich die beiden Betonskulpturen wie selbstverständlich in die alpine Landschaft.
Die Architekten reagieren mit ihren formalen Interpretationen gekonnt auf die natürlichen Gegebenheiten. Diese Brückentrilogie zeigt, was Ingenieurbaukunst leisten kann, wenn auch Statistenrollen die ihnen gebührende Aufmerksamkeit erhalten.
Mehr dazu im Baumeister 4/2015
Fotos: Marc Lins