18.09.2018

Öffentlich

Bruch mit dem Bunker

Präzise Einschnitte in der Dünenlandschaft: das Tirpitz-Mussum von BIG.


Verborgene Präsenz

Dem entlegenen Standort, dem düsteren Thema, dem Namen zum trotz: Das nach dem deutschnationalen Politiker und Admiral Alfred von Tirpitz benannte Bunker-Museum im kleinen Ferienort Blåvand ist der große Publikumsmagnet unter den dänischen Ausstellungshäusern. Das liegt nicht zuletzt an dem neuartigen und spektakulären Architektur-Konzept von Dänemarks Star-Planer Bjarke Ingels: Die einzigartige Mischung aus Land Art und Geschichtszeugnis, die Ingels’ Büro BIG in die Bunkerlandschaft an der dänischen Nordsee integriert hat, hat die Kraft, ganze Besucherströme in den schwach besiedelten besiedelten Küstenstreifen umzuleiten.

Das Konzept, mit dem die Bjarke Ingels Group in Blåvand für Furore sorgt, ist denkbar unscheinbar: Entwurfsziel war ein „unsichtbares Museum“. Dahinter steht der Entschluss, der wehrhaften Präsenz der deutschen Weltkriegsbunker mit einer architektonischen Grundsatzentscheidung symbolisch entgegenzutreten. Statt ein weiteres Betongebäude in den Strand von Jütland zu setzen, entschied man sich daher, die Ausstellungsgebäude im Boden zu versenken – und so quasi zum Verschwinden zu bringen.

Offener Kern

Die Erschließung des Gebäudes erfolgt über vier offene Rampen, die Bjarke Ingels als „Einschnitte“ in die Dünenlandschaft Jütlands beschreibt. Sie führen den Museumsbesucher zu einem einladend wirkenden Platz führen, der die Ströme weiter in die jeweiligen Galerieräume leitet.

Wer diesen Innenhof betritt, nimmt plötzlich den Außenraum als auf- und absteigende Dachlandschaft wahr, als eine dramatische architektonische Inszenierung, die sich in den Innenräumen fortsetzt. An dieser Stelle wird auch endgültig klar, warum das Tirpitz-Museum, so Ingels, die „Antithese zum Wehrmachts-Bunker“ ist: Die Museumsdramaturgie schleust den Besucher, der erwartungsvoll die Rampen durchschritten hat, nicht in ein hermetisch abgeschlossenes Inneres, sondern in taghellen Ausstellungsbereiche, die durch großzügig verglaste Schnittflächen einen ständigen Außenkontakt wahren.

Kontraste und Perspektiven

Die besonderen Ausblicke und Sichtbeziehungen, die sich durch diese Fensterwände ergeben, erzeugen vielfältige „Surprise“-Momente, die beim Gang durch das Museum Assoziationen an die Inszenierung von Architektur in expressionistischen Stummfilmen aufkommen lassen.


Tirpitz-Museum in Dänemark
Ein langer Verbindungsgang führt in den alten Bunker und das dortige Museum.

Tirpitz-Museum in Dänemark
Das Café im Tirpitz-Museum gliedert sich ein in das perspektivische Spiel der Architektur.

Daneben verändern metallene Schiebewände das Raumgefühl, trennen verschiedene Ausstellungsbereiche voneinander ab oder führen sie bei Bedarf für größere Veranstaltungen zusammen. Das Publikum ist gefordert, dieses Ensemble aus Räumen, Wegen und Perspektiven bei jedem Besuch neu zu entdecken.

Wer schließlich den lichten Erweiterungsbau hinter sich lässt und den unterirdisch angebundenen namensgebenden Bunkerbau aus den 40er-Jahren betritt, gelangt plötzlich in eine andere Welt: Hier ist alles dunkel, stickig, feucht und beklemmend – ein Ort, absolut nah und doch so fern.

Alle Fotos: Rasmus Hjortshoj.

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