20.01.2023

Öffentlich

Bourse de Commerce ist Laufsteg

Kultur Nachhaltigkeit
Bourse de Commerce, Paris, Tadao Ando, Foto: Marc Domage
Oben alt, unten neu: Tadao Ando hat in der Bourse de Commerce in Paris einen Betonring hinzugefügt. Foto: Marc Domage

Die von Tadao Ando umgebaute Bourse de Commerce in Paris beheimatet seit 2021 die Pinault Collection. Das ist jedoch nicht die erste Sammlung, die in der Architektur Platz findet. Ursprünglich wurde der runde Bau als Lagergebäude für Pariser Getreidevorräte errichtet. Nun versammelte sich unter der großen Kuppel die Modewelt.


Saint Laurents Show in der Bourse de Commerce

Mit einer Show eröffnete Saint Laurent den ersten Tag der Pariser Modewoche für die Herrenmode Herbst/Winter 2023. Der Veranstaltungsort am Abend des 17. Januar? Der von Tadao Ando umgestaltete Hauptraum der historischen Bourse de Commerce. Hier zeigte das französische Modehaus die Kollektion unter der Leitung von Anthony Vaccarello. Die Rotunde der Pinault Collection passte sich für diese etwas andere Art der Kunst an. Eine Sitzreihe aus den schwarzen Ledersofas DS-600 der Schweizer Manufaktur De Sede umrandeten den Innenbereich des 29 Meter großen Betonrings. Hinter ihnen: schwarze Stehleuchten. Ein steinfarbener Teppich bedeckte den gesamten Boden. Somit nahm der Laufsteg der Show auch den gesamten Raum ein. In der Mitte: Ein schwarzer Flügel für die musikalische Untermalung durch Paul Prier und Charlotte Gainsbourg.

Mehr zu der Geschichte des denkmalgeschützten Baus, dem Pariser Museum der Pinault Collection und der beeindruckenden Rotunde von Tadao Ando im Folgenden. 


Die Anfänge

Halle au blé 

Die Form wie wir sie heute kennen, kam 1767 aus der Feder des Architekten Nicolas Le Camus de Mézières: rund mit rundem Innenhof. Seine Halle au blé war damals als Lagergebäude der Pariser Getreidevorräte eines der wichtigsten der Stadt. Die Hauptwände der Architektur – sowohl außen als auch innen – waren Arkaden, die beiden Geschosse im Zuge des Brandschutzes eingewölbt, die Wendeltreppen zweckmäßig doppelläufig und überdies noch kunstvoll. Wo, wenn nicht in Paris, sollte so eine Kornhalle ihre Daseinsberechtigung haben? Selbst für die Pariser war das neue Bauwerk eine Attraktion. Um den Innenhof ebenso als Lagerraum zu nutzen, wurde 1782 die damals größte Kuppel Frankreichs über diesem errichtet. François-Joseph Bélanger ersetzte die Holz- mit einer Gusseisenkonstruktion 1809.

Rund 1.000 Quadratmeter groß ist das Rundgemälde in der Kuppel. Die gläserne Öffnung zum Himmel hin liegt quasi auf dieser Szenerie, einer Allegorie des Welthandels, auf. Foto: Florian Peeters / Unsplash

Bourse de Commerce

Da Getreidehallen für die städtische Lebensmittelversorgung im Laufe des Jahrhunderts allmählich überflüssig wurden, baute Henri Blondel die Halle um, sodass die Handelsbörse einziehen konnte. Sie wurde zur Weltausstellung 1889 fertiggestellt. Die ehemalige Halle au blé war zu erkennen an den Hofarkaden, an einer Treppe und an der Kuppel. Auffällig an der neuen Bourse de Commerce war die neobarocke Fassade, der Einzug eines weiteren Obergeschosses und das rund 1.000 Quadratmeter große Rundgemälde – eine Allegorie des Welthandels – im Kuppelinnern, sowie die große Glasöffnung in deren Mitte. 100 Jahre lang war die Bourse de Commerce als solche präsent, denn mit dem Ende der Handelsbörse 1989 stand die Architektur leer.

Bourse de Commerce, Paris, Tadao Ando, Foto: Studio Bouroullec
Die neobarocke Fassade der Bourse de Commerce, Foto: Studio Bouroullec

Neuanfang der Dritte

Seit 2021 befindet sich nun die Sammlung des französischen Unternehmers und Kunstsammlers François Pinault in der Bourse de Commerce. Denn 2016 gab er bekannt, aus dieser sein neues Museum der Pinault Collection zu machen – gemeinsam mit Tadao Ando. Der japanische Architekt hat für Pinault bereits den Palazzo Grassi sowie die Punta della Dogana in Venedig umgestaltet.


Beton in der Bourse de Commerce

Während die Architektur von außen keine signifikaten Umbauten preisgibt, geht es im Innern wortwörtlich rund. Ein neun Meter hoher und im Durchmesser 25 Meter breiter Betonring im überkuppelten Innenhof der Halle au blé bildet nun den Hauptraum der Pinault Collection in Paris. Dabei entsteht eine 4,90 Meter schmale Lücke zwischen der Bestands- und der Betonmauer ohne große Eingriffe in die historische Rotunde. Lediglich zwei Stege führen beide Ringe auf der Höhe des zweiten Stockwerks zusammen. Ebenso auf dieser Höhe und mit den Stegen verbunden: ein Umgang entlang des Betonrings. Eine Treppe fährt am Betonring entlang und nach oben und verbindet dabei den Umgang mit dem Erdgeschoss. Durch vier große, rechteckige Öffnungen können Besuchende ebenerdig in den Ausstellungsraum eintreten. Im Innern der Betonmauer hat Tadao Ando eine abschließende Auskragung am oberen Rand platziert. Von dieser aus lässt sich der Raum innerhalb des Betonrings beleuchten. Ankerlöcher strukturieren zudem die Betonwände.

Zeichnungen: Tadao Ando

Aufbau der Pinault Collection

Der Hauptzugang mit seinen pompösen Säulen liegt dabei im Westen des Gebäudes. Die Kassen hingegen sind in einer ehemaligen Polizeistation auf der gegenüberliegenden Straßenseite untergebracht. Im Erdgeschoss der Bourse de Commerce befinden sich daher nur ein Buchladen, Serviceräume und ein großer, halbrunder Ausstellungssaal mit 625 Quadratmetern. Insgesamt beheimatet die Pinault Collection sieben Ausstellungsräume mit einer Gesamtfläche von 6.800 Qua­dratmetern. Die einzelnen Räume im zweiten Obergeschoss lassen sich jedoch auch miteinander verbinden. So kann daraus ein einziger großer Saal entstehen. Ein Restaurant ist währenddessen im dritten Obergeschoss einquartiert. Von dort blicken Besucher und Besucherinnen auf die Kirche Saint-Eustache bis hin zum Centre Pompidou. Im Untergeschoss hat Ando außerdem ein multifunktionales Audi­torium mit Platz für bis zu 300 Personen eingebaut.

Die Räume und Gänge gestaltete Tadao Ando weiß, clean und aufgeräumt. Foto: Florian Peeters / Unsplash
Bourse de Commerce, Paris, Tadao Ando, Foto: Patrick Tourneboeuf
Unter der Rotunde gibt es auch ein Auditorium mit Platz für bis zu 300 Personen. Foto: Patrick Tourneboeuf

White Cube und Pantheon

Die Designer sowie die Brüder Ronan und Erwan Bouroullec entwarfen die Möblierung in der Pinault Collection. Die braunen Holzrahmen der Fenster und Türen verweisen dabei auf den denkmalgeschützten Altbau. Die Räume und Gänge? Die gestaltete Ando weiß, clean und aufgeräumt.

Das Ausstellungskonzept folgt damit also einem Prinzip der 20er Jahre – dem White Cube. Der Raum tritt zurück, die stattdessen steht die Kunst im Fokus. Somit zieht die Moderne mit den Ausstellungsräumen in die äußere Architektur, dem historischen Gerüst ein.

Vor mehr als 2.000 Jahren entwickelten die Römer Rezepturen für Beton, die dafür sorgen, dass ihre Bauten bis heute erhalten sind – wie hier das Pantheon in Rom. Foto: Gabriella Clare Marino / Unsplash
Rund mit Kuppel und aus Beton – das sind die Parallelen des Pantheon in Rom und des Hauptraums in der Pariser Bourse de Commerce. Foto: Gabriella Clare Marino / Unsplash

Im Kuppelraum der Bourse de Commerce dreht Tadao Ando die Herangehensweise um. Er verweist auf das Pantheon – sowohl im Aufbau als auch durch das Material. Das antike römische Pantheon ist mit seinen Alter von mehr als 2.000 Jahren einer der ältesten und besterhaltenen Betonbauten. Mit seinem Betonring in der Bourse de Commerce stellt Ando einen antiken Gedanken, ein den Göttern geweihtes Heiligtum, in den Fokus. Bleibt bei der gewaltigen Präsenz im Raum nur eine Frage: Wer sind diese Götter?

Apropos Pantheon und Beton: Durch die Betonrezepturen der Römer haben ihre Bauten auch hervorragende Haltbarkeit und reparieren sich nun auch selbst. Das fanden Forscher des MIT kürzlich heraus. Mehr dazu hier: Römischer Beton

 

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