19.03.2015

Öffentlich

Blockupy und die EZB – wenn Zeichen ins Leere laufen

Was für Bilder. Frankfurt schien gestern zu brennen. Die gewaltsamen Teile der Blockupy-Proteste anlässlich der Eröffnung des EZB-Neubaus haben sich eine Stadt ausgesucht, die mit ihren Hochhaustürmen der einzig präsente Repräsentant der Finanzwelt in Deutschland ist. Hier haben wir sie mal, die politische Kontroverse, visuell sichtbar in der Stadt – durch eine bestimmte Architektur. Denn ohne Kapitalbauten im Hintergrund wären die brennenden Autos nur halb so beeindruckend.

Doch mit der EZB suchten sich die Demonstranten einen schwer zu fassenden Gegner aus. Denn was macht so eine Zentralbank? Sie ist ja kein profitorientiertes Unternehmen wie etwa die Deutsche Bank. Die Institution EZB ist happy, wenn es möglichst allen Unternehmen und allen Staaten gut geht. Schnöden Eigennutz kann man ihr also erst mal nicht vorwerfen.

Weil das so ist, wäre die klassische, gegen die Symbolik einer vermeintlichen Protzarchitektur gerichtete Argumentation unpassend. Die EZB ist eben letztlich kein privatwirtschaftlicher Moloch, sondern ein geldpolitisches Organ. Sie scheffelt keine Milliarden für die eigenen Aktionäre. Insofern passt die Protzmetapher nicht – einfach weil die EZB als Institution gar nicht mit Reichtum angeben will.

Was man der EZB theoretisch aber vorwerfen könnte, wäre so etwas wie soziale Kälte und ein mangelndes Verständnis für die eigene Position in der Gesellschaft. Die Argumentation wäre dann: „Ihr habt keinen Sinn für die Probleme der einfachen Leute, ob nun in Deutschland oder Griechenland. Ihr wisst nicht, dass es soziale Verwerfungen in Europa gibt. Und dieses mangelnde Bewusstsein sieht man an Eurer Architektur. Die ist symmetrisch und glatt. Das zeigt auch, dass Ihr gar nicht wisst, wie schwer zu verstehen und abstrakt Eure Politik den Menschen vorkommt.“ Solche Kritikmuster werden auch und gerade von Journalisten freudig aufgegriffen und verbreitet. Die heben dann gern den Gegensatz zwischen menschlichen Demonstranten und den vermeintlich „glatten Fassaden der Bürotürme“ hervor und verweisen auf die „phallisch geformten Monolithen der Kapitalmacht“.

Die letzten beiden Zitate entstammen einem aktuellen Artikel auf Spiegel online über die Frankfurter Proteste. Und auch die gewalttätigen Demonstranten hatten derlei argumentative Evergreens vor Augen, als sie ihren Protest planten. Das Problem ist nur: Bezogen auf den EZB-Bau, sind diese Beschreibungen kompletter Unsinn. Diese Architektur gibt derlei Assoziationen überhaupt nicht her. Das Gebäude von Coop Himmelb(l)au ist das genaue Gegenteil eines harmonistisch und symmetrisch repräsentativen Prunkbaus. Und einen „phallisch geformten Monolith“ kann ich in dem Gebäude auch nicht erkennen. Sie vielleicht?

Die asymmetrische, sperrige Form des Prix-Baus, kombiniert noch mit der Markthallenarchitektur, auf der sie aufsetzt, verweigert sich genau diesen simplen Interpretationen. Hier wird keine selbstherrliche, in sich ruhende Macht zur Schau gestellt. Dieses Gebäude atmet doch Widersprüchlichkeit. Hier baut jemand, der weiß, welch kontroverse Institution in dieses Gebäude einzieht. Die Auseinandersetzungen um die gesellschaftliche Rolle der EZB werden hier architektonisch quasi vorweggenommen. Durch ein Gebäude, das sich natürlich nicht versteckt; das aber auch keinem widerspruchsfreien, reibungslos funktionierenden Globalkapitalismus das architektonische Wort redet. Insofern ist die Architektur hier nicht nur gedanklich weiter als die Verfechter einer automatisch alle glücklich machenden Marktgläubigkeit; sie ist auch klüger als die selber an simplen Symboldualismen hängenden Frankfurter Gewaltdemonstranten.

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