14.06.2014

Event

Biennale (VIII): Erinnerungen

Erstmals präsentieren sich bei dieser Biennale im Arsenale ebenso viele Länder wie in den Giardini. Doch während dort die Länderpavillons Orientierung bieten, kann man in den oftmals kleinteiligen Länderpräsentationen im schier endlosen Strang der Artiglierie leicht den Überblick verlieren.

Im Gegensatz dazu wirken die Ausstellungsräume in den zurückhaltend instandgesetzten „Sale d‘ Armi“ – den einstigen Waffen-Lagerhäusern der Seemacht Venedig – großzügig und lichtdurchflutet. Die Türkei, in diesem Jahr zum ersten Mal auf der Architekturbiennale, bespielt einen Saal im Obergeschoss. Unter dem offenen Dachgebälk ist eine langgestreckte Black Box als „Memory Tunnel“ eingestellt, auf deren Wänden Fotos und Modelle ein differenziertes Bild von Istanbul zeigen. Jenseits von Klischees und millionenschweren Investorenprojekten fokussieren die Kuratoren hier auf persönliche Wahrnehmungen der Metropole. Eindrucksvoll sind die großformatigen Fotografien wichtiger Istanbuler Plätze. Bei mildem neutralem Licht fotografiert, zeigen sie deren Aufenthaltsqualitäten – und doch schwingen beim Betrachten unwillkürlich die Bilder der Demonstrationen im vergangenen Jahr mit, so wie auch der Titel „Agoraphobia“ auf die Ambiguität städtischer Plätze verweist.

Den Mittelpunkt der Ausstellung bildet ein einzelnes Gebäude: das Atatürk Cultural Center, dem der zentrale Bereich gewidmet ist.  Hier verdichtet sich auf großformatigen Fotos nicht nur die Geschichte dieses Gebäudes. Die Höhen und Tiefen seiner Planungs- und Bauphasen spiegeln auch die gesellschaftlichen und politischen Veränderungen der Türkei wider: den ersten Planungen Auguste Perrets 1939 für ein Opernhaus folgen Umplanungen und die Grundsteinlegung 1946, dann Neuplanungen und die Realisierung erst 23 Jahre später als Kulturzentrum, kurz darauf beschädigt ein Feuer das Haus, es wird wieder aufgebaut, renoviert, schließlich 2013 die Renovierung gestoppt. Die Fotos sind quasi selbsterklärend,  der Schriftzug über den Bildern entsprechend knapp: „From opera house to cultural centre to backdrop for politics“. Besonders in Erinnerung bleibt das letzte Foto der Serie, an den Fassaden des leerstehenden Gebäudes hängen Transparente der Demonstrationen vom Frühsommer 2013. Selbst dem eiligen Besucher erschließt sich unmittelbar die Bedeutung dieses Hauses als Sinnbild der Moderne in der Türkei – nicht nur als Architekturikone der 60er Jahre, sondern auch im kulturellen und politischen Kontext. Und man ahnt, wie weitreichend der Diskussionsstoff um die Zukunft des  Atatürk Cultural Center ist.

Die Berichterstattung des Baumeisters von der Biennale wird unterstützt von FSB.

Foto: Photo By Andrea Avezzù

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