Was macht Menschen kreativ? Genauer gesagt: Wie machen Räume und Architektur kreativ? Unter diesem Motto stand unser aktuellstes Event aus der Reihe „Baumeister nach8“: In den Designoffices Stuttgart diskutierten Baumeister, Steelcase und SCOPE Architekten einen ganzen Abend lang über die Arbeitsräume von morgen.
“Die Motivation der Mitarbeiter hängt stark von den Bewegungs- und Wahlmöglichkeiten der Arbeitswelt ab” – Bettina Römerscheidt, Steelcase
„Ideen sind die Währung der neuen Ökonomie“ – der Sozialwissenschaftler Richard Florida schrieb das bereits 2002 in seinem Buch „The Rise of the Creative Class“. Kreativität ist seiner Meinung nach die treibende Kraft für wirtschaftlichen Erfolg schlechthin. Doch hier klafft eine Lücke: Laut einer aktuellen Studie des McKinsey Global Institute sagen 69 Prozent der befragten Mitarbeiter, dass sie ihr kreatives Potenzial nicht nutzen. Umgekehrt ist Kreativität in Zeiten, in denen Maschinen laut Experten schon bald 50 Prozent der bislang von Menschen ausgeübten Tätigkeiten übernehmen könnten, der entscheidende Wettbewerbsvorteil gegenüber künstlicher Intelligenz.
Räume und Architektur – beide sind Hilfsmittel, um Menschen zum Lösungen-Suchen, Irren, Finden und Erfolgreichsein, also zum Kreativ-Sein ermutigen. Sie sind das Vehikel, um die Kassen mit der Erfolgs-Währung „Kreativität“ voll zu machen. Steelcase investiert deshalb viel in die Kreativität seiner Mitarbeiter: Im neuen Learning & Innovation Center, in der Brienner Straße in München, wird das deutlich sichtbar. Das Konzept der neuen Arbeitswelten beschreibt Bettina Römerscheidt, Workplace Consultant bei Steelcase, als „ein Ökosystem unterschiedlicher Räumlichkeiten. Es gibt offene Arbeitsbereiche und Rückzugsorte, Teamflächen und individuelle Arbeitsplätze. Das Herz des Konzepts ist das Workcafé, ein Ort in dem man nach Lust und Laune Arbeit und Genuss vereinbaren kann und der über den gesamten Arbeitstag genutzt wird. TransparenzTransparenz: Transparenz beschreibt die Durchsichtigkeit von Materialien wie Glas. Eine hohe Transparenz bedeutet, dass das Material für sichtbares Licht durchlässig ist. und Kommunikation haben bei uns oberste Priorität, daher haben wir einige grundlegende Änderungen in den Bestandsflächen vorgenommen, besonders charakteristisch ist die offene Treppe.“ Im Learning & Innovation Center geht es vor allem darum, den Mitarbeitern die Wahl und Kontrolle über die Nutzung der Räumlichkeiten zu geben: „Der Steelcase Global Report hat schon 2014 gezeigt, dass das Engagement und die Motivation der Mitarbeiter entscheidend von den Bewegungs- und Wahlmöglichkeiten der Arbeitswelt abhängt“, so Römerscheidt.
Bei SCOPE sitzen die Chefs mittendrin
Dass aber Räume nicht allein das Mittel sein können, um Menschen zu mehr Kreativität zu bringen, darüber war sich die Runde schnell einig: „Es geht vor allem um eine entsprechende Kultur im Unternehmen“, so Mike Herud, Gründer und Partner im Büro SCOPE Architekten. „Wenn der Chef nicht mitmacht und sich gleich im Einzelbüro einsperrt, ist das kein gutes Signal.“ Bei SCOPE sitzen die Chefs deshalb mittendrin. „Es gibt keine räumlichen Hierarchien“, so Oliver Kettenhofen, ebenfalls Partner bei SCOPE. Bei der Planung des SAP Innovation Centers in Potsdam sammelte SCOPE außerdem nicht nur die Vision des Auftraggebers, Hasso Plattner, ein, der sich im Silicon Valley hatte inspirieren lassen. „Wie bei allen unseren Projekten fragten wir auch hier gezielt nach, was die Mitarbeiter sich von ihren Räumen erwarten“, so Mike Herud. „Die Räume sollten ausstrahlen, dass es okay ist, auch Fehler zu machen“, ergänzt Oliver Kettenhofen. Offene Strukturen ermöglichen hier maximale Flexibilität und das Zusammenarbeiten immer neuer Teams. „Die Flexibilität richtet sich allerdings heute nicht nur an die Räumlichkeiten, sondern auch an die Mitarbeiter. Verschmelzende Grenzen von Arbeit und Freizeit, 24/7 Erreichbarkeit – eine neue Anspruchshaltung vieler Unternehmen und ein kontrovers diskutiertes Thema.“, ergänzt Bettina Römerscheidt.
Eine neue Balance in den Arbeitsräumen der Zukunft
Ein Trade-off, der aus Sicht der Runde viele Unternehmen in den kommenden Jahren weiter beschäftigen wird – auch im Hinblick auf die Frage, wie sich der Rückzug ins Private und Kreativität zueinander verhalten. Eine neue Balance, auch darum geht es in den Arbeitsräumen der Zukunft. Was das neue Gleichgewischt ausmacht? Man wird sehen.