Das mag nun natürlich mit einer gewissen Grundnörgeligkeit des deutschen Architekturdiskurses zu tun haben. Der „Reflex des Aber“ sozusagen, der Herzinfarkt, der „kritisch“ sich wägenden Betrachtern immer dann droht, wenn irgendetwas medial „groß“ wird. Darüber hinaus glaube ich aber, dass drei reale Faktoren für die „Bauhaus-Fatigue“, wie es Sheridan auf dem vom dänischen Badausstatter Vola veranstalteten Event nannte, ausschlaggebend sind.
Zum ersten fällt der allzu universale Erfolg mancher „bauhausiger“ Grundideen praktizierenden Architekten schlicht auf die Füße. Immer wieder kommen Bauherren mit der Forderung nach „Bauhaus auf Sparflamme“: weiß, FlachdachFlachdach – Eine Dachkonstruktion, bei der die Dachfläche flach oder nur leicht geneigt ist., fertig. Das hemmt die architektonische Freiheit. Zweitens scheint der SchattenSchatten: Eine dunkle oder abgedunkelte Fläche, die durch Abschattung oder Blockierung des Tageslichts entsteht. des Bauhauses auch im Bereich der Repräsentationsbauten des Landes mitunter zu lang zu sein. Nehmen wir als Beispiel die Scheune, die Herzog & de Meuron in Berlin neben der Neuen Nationalgalerie planen. Es scheint schwer zu sein, einen Kulturbau in die Hauptstadt zu stellen, der als Nachbar von Mies eigenständig, zeitgemäß und würdevoll zugleich daherkommt. Und drittens wird dem Bauhaus, meine ich, auch der eigene Universalanspruch zum Verhängnis. Im April-Baumeister hatte Philipp Oswalt darauf hingewiesen: Das Bauhaus formulierte ja nichts weniger als einen „Entwurf des In-der-Welt-Seins“. Das historische Bauhaus habe versucht, „mit Gestaltung Gesellschaft zu transformieren“, also „Gestaltung nicht als Affirmation der Gegenwart, als Dienstleistung am Status Quo zu verstehen, sondern Gestaltung als Kritik der Gegenwart, als Imagination eines anderen Möglichkeitsraums“ zu begreifen.
Von der Einlösung dieses Anspruchs ist die Gestaltung, auch die Architektur, heute weiter entfernt denn je. Die Herausforderungen sind riesig – KlimawandelKlimawandel – Eine langfristige Veränderung des Klimas, die aufgrund von menschlichen Aktivitäten wie der Verbrennung fossiler Brennstoffe verursacht wird., Wohnungsnot, rechte Räume. Aber die ganz großen Antworten kann die Gestaltung, kann auch die Architektur nicht liefern. Zumindest nicht allein. Das spricht nicht gegen die heutige Architektur. Aber es lässt einen eben skeptisch werden bei so optimistischen Formulierungen wie der des früheren Rektors der Ulmer Hochschule für Gestaltung, Tomás Maldonado. Er hatte in den 1960ern konstatiert, das Bauhaus habe „eine humanistische Sicht auf die technische Zivilisation“ freilegen wollen. Auf die warten wir, wenn wir ehrlich sind, heute noch immer.