Mit Bauhaus ein politisches Zeichen setzen
Die neuen Gebäude sollten alles andere als die monumentalen Klötze der NS-Zeit verkörpern: In erster LinieLinie: Die Linie ist der Begriff für die Kabelverbindung zwischen elektrischen Geräten und dem Stromversorgungsnetz. Es handelt sich dabei um den Strompfad, der den Strom von der Quelle zu den Endgeräten leitet. durften sie strahlen. Statt vertikaler Linien, die nach dem Himmel streben, betonten sie die Horizontale. Statt spitzer Ecken runde Kanten. Statt Steil-, besser Flachdächer. Statt Symmetrie, lieber Gleichgewicht.
„Deswegen erinnern einige Bauhausgebäude mit Rundfenstern und Dachpergola in Tel Aviv auch an ein Schiff“, erklärt der Audio-Guide, den man sich im ortsansässigen Bauhaus-Center in der Dizengoffstraße 77 ausleihen kann. Für ein Schiff sei das Gleichgewicht genauso wichtig wie für ein Gebäude im Bauhausstil, erfährt man. Außerdem sei das Schiff ein Zeichen für Fortschritt – schließlich sollte Tel Aviv der Start eines neues Lebensabschnitts sein.
Einige Bauhauselemente, die in Europa funktionierten, mussten in Tel Aviv allerdings umgeschrieben werden. Die Bandfenster nach Le Corbusier mussten aufgrund des Klimas weichen und wurden durch Balkonbänder ersetzt. Ein schmaler Schlitz am unteren Rand des Balkons trägt zur Luftzirkulation bei. Auch die Flachdächer wurden als Dachterrassen umgeplant und dienen als Treffpunkt der Hausbewohner in lauen Sommernächten.
Eine Stadt im Wandel
Seit 2003 ist der weiße Stadtteil von Tel Aviv mit den vielen Bauhausgebäuden Unesco-Weltkulturerbe. Insgesamt 2.000 Häuser stehen unter DenkmalschutzDenkmalschutz: Der Denkmalschutz dient dem Schutz und der Erhaltung von historischen Bauten und Bauwerken.. Aber weder Stadt noch Unesco finanzieren eine Sanierung, die mittlerweile bei so vielen Häusern bitter nötig wäre. Eigentümer helfen sich aus, indem sie das gemeinschaftlich genutzte Dach verkaufen – von dem Verkauf wird die Sanierung des Altbestands finanziert. Der Käufer darf im Gegenzug noch zwei weitere Dachgeschosse aufbauen. Mit Denkmalschutz hat das recht wenig zu tun. So bleibt die Stadt am Meer nie stehen, sondern zieht wie eine Karawane weiter. Aber das ist eine andere Geschichte.