18.08.2020

Event

Barkow-Leibinger-Werkschau in Berlin

BARKOW LEIBINGER Haus am Waldsee

Die Installation “Tickets” bildet durchwanderbare Räume zwischen Bündeln von Metallstäben. (Foto: Harry Schnitger)

Die Ausstellung „Revolutions of Choice” im Berliner Haus am Waldsee beleuchtet das inzwischen zwanzigjährige Schaffen des Büros Barkow Leibinger. Fabian Peters hat die Schau gesehen.

Das Haus am Waldsee, eigentlich arrivierte Bühne für zeitgenössische Kunst in Berlins gediegenem Südwesten, hat sich in den letzten Jahren wiederholt auch der Architektur zugewandt. Die Werkschauen von Graft, Haus-Rucker-Co und J.Mayer.H fanden viel Beachtung und porträtierten Büros, bei denen das Experiment wichtiger Teil der Arbeit ist oder war. Zudem standen jeweils Architekten im Fokus, deren Schaffen auch über den deutschsprachigen Raum hinaus wahrgenommen wird. Letzteres gilt in besonderer Weise auch für Frank Barkow und Regine Leibinger, die nicht nur zusammen ihr Berliner Büro betreiben, sondern auch gemeinsam an der Princeton University lehren.

Im Garten des Hauses am Waldsee haben Barkow Leibinger den Pavillon "Summer House II" aufgebaut, eine Re-Interpretation ihrer Arbeit für die Londoner Serpentine Gallery von 2016. (Foto: Harry Schnitger)
Eine Werkschau als Modellschau: In den Ausstellungsräumen des Hauses am Waldsee haben Barkow Leibinger ihre zwanzigjährige Bürogeschichte in Modellen rekonstruiert. (Foto: Roman März)
Die Modelle geben einen spannenden Einblick in die Arbeit von Frank Barkow und Regine Leibinger - als praktizierende Architekten wie als Hochschullehrer. (Foto: Roman März)
Das Modell des Bühnenbildes für Cristoph Waltz' Fidelio Inszenierung könnte ebensogut eine zeitgenössische Plastik sein. (Foto: Harry Schnitger)
Raumspiele: Zwei Studien zur Gestaltung von Hochhäusern und im Durchblick das eindrucksvolle Modell des Fidelio-Bühnenbildes, das Barkow Leibinger für das Theater an der Wien entworfen haben. (Foto: Roman März)

Material und Kunstwerk

Die Berliner Werkschau stellt die von Barkow Leibinger intensiv betriebene Materialforschung, die Auseinandersetzung mit Konstruktion, Oberfläche und Raumerlebnis, in den Mittelpunkt. Zur Eingangstür soll sich der Besucher seinen Weg zwischen zwei Betonkörpern hindurch bahnen, deren Form und Oberfläche Felsformationen abschaut zu sein scheint und die nur eine klammartige Passage freigeben. Die Installation ist in einem neuartigen Abgussverfahren aus Infraleichtbeton entstanden, ein erstes Beispiel für die experimentelle Komponente in der Arbeit der Architekten. Im Skulpturenpark des Hauses am Waldsee haben Barkow Leibinger ihr „Summer House“ re-interpretiert, das sie 2016 für die Serpentine Gallery im Londoner Hyde Park entworfen haben. Während aber der Londoner Pavillon aus Birkenholz gefertigt wurde, besteht die Berliner Variation aus Aluminium. Die andere Materialität verleiht dem Gebilde aus verschlungenen Bandformen nicht nur optisch, sondern auch taktil ganz neue Qualitäten.

 

Architektur im Modell

Die Ausstellungsräume bleiben bildlos. Stattdessen stellen Barkow Leibinger verschiedene Aspekte ihres Oeuvres mit Hilfe einer Vielzahl von Modellen vor, die fast lapidar in weißen Stahlregalen aufgereiht sind. Dabei werden einzelne Projekte mal durch baukonstruktive Details, mal durch Tragwerksversuche, mal durch Volumenstudien repräsentiert, aufwändige Präsentationsmodelle sind die Ausnahme. Zumeist illustrieren die Modelle nicht den schließlich ausgeführten (oder vorgeschlagenen) Bau, sondern den Entwurfsprozess. Das lässt viele von ihnen abstrakt und skulpturhaft wirken. Andere Arbeiten nähern sich ganz bewusst der bildenden Kunst an: Der Bühnenentwurf für Christoph Waltz‘ Wiener Fidelio-Inszenierung etwa ist ein fast M. C. Escher-haftes Treppengebilde. Bei der „kinetischen Wand“ im Nebenraum wird ein Gewebeüberzug an verschiedenen Stellen durch mechanische Stempel gedehnt. Die Rauminstallation „Thicket“, bei der Bündel aus Metallstäben Wege und Volumen definieren, scheint die Grenze zur freien Kunst bereits überschritten zu haben.

„Revolution of Choices“ ist die Berliner Schau betitelt – bezugnehmend auf ein Zitat von Frank Barkow, der damit die explosionsartig gewachsenen Möglichkeiten charakterisiert, die die Digitalisierung den Architekten zur Verfügung stellt. Diese ungeheure Wahlmöglichkeit vermittelt sich durch das Ausstellungskonzept, durch die schiere Fülle des Gezeigten, unmittelbar. Zugleich wird durch die Exponate aber auch verdeutlicht, welche ästhetischen Chancen demjenigen erwachsen, der bereit ist, mit den neuen Technologien intensiv zu experimentieren.

Barkow Leibinger. Revolutions of Choice
Haus am Waldsee
Argentinische Allee 30
14163 Berlin

bis zum 4. Oktober 2020

Der Katalog zur Ausstellung erscheint in den kommenden Wochen.

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