Die Berliner Werkschau stellt die von Barkow Leibinger intensiv betriebene Materialforschung, die Auseinandersetzung mit Konstruktion, Oberfläche und Raumerlebnis, in den Mittelpunkt. Zur Eingangstür soll sich der Besucher seinen Weg zwischen zwei Betonkörpern hindurch bahnen, deren Form und Oberfläche Felsformationen abschaut zu sein scheint und die nur eine klammartige Passage freigeben. Die Installation ist in einem neuartigen Abgussverfahren aus InfraleichtbetonInfraleichtbeton ist ein besonders leichter Beton, der durch den Einsatz von sogenannten Leichtzuschlägen wie beispielsweise Polystyrol oder Blähton hergestellt wird. Er hat aufgrund der geringen Dichte eine geringere Festigkeit als herkömmlicher Beton, eignet sich aber aufgrund seines geringeren Gewichts für den Bau von leichteren Konstruktionen und zur Dämmung…. entstanden, ein erstes Beispiel für die experimentelle Komponente in der Arbeit der Architekten. Im Skulpturenpark des Hauses am Waldsee haben Barkow Leibinger ihr „Summer House“ re-interpretiert, das sie 2016 für die Serpentine Gallery im Londoner Hyde Park entworfen haben. Während aber der Londoner Pavillon aus Birkenholz gefertigt wurde, besteht die Berliner Variation aus AluminiumAluminium: Aluminium ist ein leichtes, strapazierfähiges Metall, das in der Bauphysik oft für seine Wärmedämmungseigenschaften und Langlebigkeit verwendet wird.. Die andere Materialität verleiht dem Gebilde aus verschlungenen Bandformen nicht nur optisch, sondern auch taktil ganz neue Qualitäten.
Architektur im Modell
Die Ausstellungsräume bleiben bildlos. Stattdessen stellen Barkow Leibinger verschiedene Aspekte ihres Oeuvres mit Hilfe einer Vielzahl von Modellen vor, die fast lapidar in weißen Stahlregalen aufgereiht sind. Dabei werden einzelne Projekte mal durch baukonstruktive Details, mal durch Tragwerksversuche, mal durch Volumenstudien repräsentiert, aufwändige Präsentationsmodelle sind die Ausnahme. Zumeist illustrieren die Modelle nicht den schließlich ausgeführten (oder vorgeschlagenen) Bau, sondern den Entwurfsprozess. Das lässt viele von ihnen abstrakt und skulpturhaft wirken. Andere Arbeiten nähern sich ganz bewusst der bildenden Kunst an: Der Bühnenentwurf für Christoph Waltz‘ Wiener Fidelio-Inszenierung etwa ist ein fast M. C. Escher-haftes Treppengebilde. Bei der „kinetischen Wand“ im Nebenraum wird ein Gewebeüberzug an verschiedenen Stellen durch mechanische Stempel gedehnt. Die Rauminstallation „Thicket“, bei der Bündel aus Metallstäben Wege und VolumenVolumen: Das Volumen beschreibt das Raummaß bzw. die Größe eines Körpers oder Behälters in Kubikmetern oder Litern. definieren, scheint die Grenze zur freien Kunst bereits überschritten zu haben.
„Revolution of Choices“ ist die Berliner Schau betitelt – bezugnehmend auf ein Zitat von Frank Barkow, der damit die explosionsartig gewachsenen Möglichkeiten charakterisiert, die die Digitalisierung den Architekten zur Verfügung stellt. Diese ungeheure Wahlmöglichkeit vermittelt sich durch das Ausstellungskonzept, durch die schiere Fülle des Gezeigten, unmittelbar. Zugleich wird durch die Exponate aber auch verdeutlicht, welche ästhetischen Chancen demjenigen erwachsen, der bereit ist, mit den neuen Technologien intensiv zu experimentieren.
Barkow Leibinger. Revolutions of Choice
Haus am Waldsee
Argentinische Allee 30
14163 Berlin
bis zum 4. Oktober 2020
Der Katalog zur Ausstellung erscheint in den kommenden Wochen.