Nicht Pareto-optimal agiert
Als junger Architekt hat man’s schwer: kaum Aufträge, und wenn, dann höchstens die Planung einer neuen Dachgaube für die Tante. Aber ist das wirklich so? Im neuen Baumeister zeigen wir, dass auch der Nachwuchs Großes zustande bringt – vom Wohnblock in Barcelona über eine Schule in Turin bis zum Museum in Berlin. Hier lesen Sie vorab das Editorial von Chefredakteur Alexander Gutzmer.
Beim Thema „junge Menschen und was sie so bewegt“ denkt man als Medienschaffender heute quasi automatisch an „Fridays for Future“, jene tatsächlich beeindruckende Ökomoral-Bewegung, deren Markennamen sich Initiatorin Greta Thunberg gerade hat schützen lassen. Die deutsche FfF-Abteilung war, vielleicht haben Sie es mitbekommen, kürzlich bei Siemens in München demonstrierend vorstellig geworden. Der Siemens-Chef bot der Wortführerin Luisa Neubauer einen Posten im Aufsichtsrat einer Tochterfirma an, was diese hohnlachend ablehnte.
Das Ganze wurde interpretiert als PR-Desaster für Siemens. Ich habe nie ganz verstanden, warum. Ein Aufsichtsrat ist dazu da, Manager zu beaufsichtigen. Als jemand, der bessere Unternehmen will, hätte Neubauer diese Chance doch eigentlich ergreifen sollen. Und in der Bewegung hätte die Absage zumindest zu Diskussionen führen sollen. Nun ja, sie wollte nicht.
Wenn wir von jungen Architekten reden, so liegen die Dinge anders – zumindest scheint es so. Wir wollen ja, dürften aber nicht, heißt es oft. Doch so ganz stimmt das auch nicht. Mitunter dürfen die Jungen eben doch – groß bauen, meine ich. Und manchmal haben sie gegenüber Großbüros sogar einen Startvorteil.
Am Beispiel des Berliner Museums „Futurium“ zeigt Falk Jaeger, wieso. Ihn beeindruckt vor allem, wie in sich stimmig das Gebäude ist. Das führt er darauf zurück, dass die jungen Architekten Christoph Richter und Jan Musikowski schon in der Wettbewerbsphase einen sehr detailliert durchgearbeiteten Entwurf präsentiert hätten – womöglich anders als manche Großbüros. Deren Wettbewerbsabteilung hätten womöglich schneller die Arbeit am Entwurf einstellt („pareto-optimal agieren“ nennt man das). Schön also zu sehen, dass solcher Fleiß manchmal belohnt wird.
Sechseckige Brillen und Spirit
Allzu oft ist das nicht der Fall. In Deutschland sonst herangezogen wird häufig das Exempel Meinhard von Gerkan, Volkwin Marg und deren Erstling Berlin-Tegel. Detailfreude kann man den beiden damals jungen Architekten sicher auch unterstellen. Diese beschränkte sich nicht auf den reinen Flughafen-Entwurf. Eines heute ikonisches Foto zeigt die beiden, in Anlehnung an das zentraleZentrale: Eine Zentrale ist eine Einrichtung, die in der Sicherheitstechnik als Steuerungszentrum für verschiedene Alarmvorrichtungen fungiert. Sie empfängt und verarbeitet Signale von Überwachungseinrichtungen und löst bei Bedarf Alarm aus. TXL-Gestaltungselement, mit sechseckigen Brillen. Ein cooles, selbstbewusstes Statement. Diesen Spirit brauchen junge Architekten.
Den B3/2020 “Lichtblicke – Junge Architekten, große Aufgaben” können Sie hier erwerben.