Viel Wert legen Architekten und wir als Betrachter ja darauf, eine diskursive Sonderstellung einzunehmen. „Architekten haben ihre eigene Sprache“ war schon eines der Fazits bei einer Umfrage, die wir vom Baumeister 2011 bei bekannten Architekten realisiert hatten. Wir pflegen unseren „Diskurs“ und nehmen an, dass dessen Niveau höher ist als das gängige Geplapper da draußen.
Aber stimmt das in Zeiten der sozialen Medien noch? Man hat den Eindruck: Nicht mehr automatisch. Sobald auf Facebook und Co. über Architektur debattiert wird, ist auch der rhetorische Schnellschuss nicht weit. Die rasant hitzig werdende Debatte über den Herzog de Meuron-Entwurf für das Berliner Kulturforum war gerade ein gutes Beispiel dafür. Nun erfährt Volker Staab, wie schnell eine architektonische Wettbewerbsentscheidung zu einem Netz-Politikum wird – mit allen unangenehmen Nebenerscheinungen. Über den markanten, aber nicht demonstrativ „geschichtsbewusst“ sich gebenden Entwurf für das Ensemble um den Dom in Köln wird heftig gestritten. Und dabei geht es nicht immer niveauvoll zu.
Die Debatte entspann sich nicht zuletzt auf der Facebook-Präsenz der Kölner Info-Plattform www.koelnarchitektur.de. Ein User schrieb: „ein Trauerspiel… nein, die Hölle gepaart mit gepflegter langer Weile“. „wahrscheinlich waere da eine Moschee doch schoener“, schlossSchloss: Ist ein Mechanismus, zum Verriegeln oder Schließen einer Tür oder eines Fensters. sich eine andere Userin an.
Wer selber im Netz publiziert, wird wissen: Diese Art von Meinungsäußerung ist in der Rhetorik des Netzes eher noch milde zu nennen. Die Macher von Kölnarchitektur waren dennoch wenig amüsiert und sahen sich zu einem Rüffel an die eigene Community genötigt. „Ihre Haltung missfällt mir…ganz extrem“, schrieb eine Redakteurin (wiederum auf Facebook), „zumal sie auch keineswegs dem Anspruch unserer Leser genügt, die, da sie Ort und die Geschichte kennen, mehr sehen als Klötze und Rasterfassaden…Lasst uns das Niveau halten.“
Die Reaktion der Kölner Architekturjournalistin ist verständlich. Tatsächlich entgleitet bei Debatten im Netz schnell Form und auch jeglicher Maßstab. Es wird ungehemmt herumgetrollt. Und zwar auch beim Diskutieren über Architektur. Ich selber habe mich mit dem Thema kürzlich einem Buch über Architektur und Kommunikation auseinander gesetzt. Der Wunsch nach einem diskursiven Stilkonsens ist nachvollziehbar. Und zwar zumal dann, wenn wie im FalleEine Falle in der Architektur ist ein Mechanismus, der verwendet wird, um eine Tür, ein Fenster oder eine andere Öffnung in einer Position zu halten oder zu verriegeln. Es handelt sich meist um einen Bolzen oder ähnliches, der in eine entsprechende Aussparung greift. Die Falle verhindert, dass die Tür oder… Köln, auch noch eine politische Note hineingerät, die zeitgenössische Architektur als Ausdruck einer enthemmten Formfreude von Geschichtsklitteren brandmarkt. Dies könnte eine Architekturdiskussion schnell ins argumentative Fahrwasser der neuen Rechten werfen.
Aber genau da liegt, finde ich, auch eine Chance. Ich will daher mal provokant formulieren: Wie wäre es, wenn wir als Architekturjournalisten das diskursive Trolltum als Chance begreifen? Wenn wir es also schaffen, über die Diskussion von Architektur der Vision eines modernen, nicht traditionalistischen Landes Gehör zu verschaffen? Genau diese Vision steht ja momentan durch AfD und Co. unter Beschuss. Und den Verfechtern der offenen Gesellschaft scheinen gelegentlich die Argumente auszugehen. Eine Architektur, die genau dieser Gesellschaft Profil gibt, wird von AfD-lern schnell als Symptom des Verfalls gehandelt. Sie ist aber letztlich Ausdruck von genau dem, was diese (unsere) Gesellschaft anziehend und attraktiv macht. Das könnte man herausarbeiten – und damit den Trolls etwas entgegnen. Es würde aber bedeuten, dass wir als Diskutanten mehr machen müssen als die immer gleichen Argumente mit den immer gleichen Freunden zu teilen – und dem vulgären Rest mit Indignation zu begegnen.