Die Serie „Archipedia“ ist eine Kooperation des Baumeister und der Hochschule Bochum, Fachbereich Architektur. Studierende des Master-Studienganges „Architecture Media Management“ schreiben virtuelle Briefe an die Crème der Architekturwelt, hier an den finnischen Architekt und Designer Alvar Aalto.
Sehr geehrter Herr Aalto,
letzte Woche habe ich von einem aktuellen Wettbewerb gehört, der wie ich meine auch Sie stark interessiert hätte. Dieser Wettbewerb beinhaltet die Erweiterung der Universität in Helsinki und trägt den Titel „campus2015“. Heute trägt die Universität, an der auch Sie von 1916 bis 1921 studiert haben, Ihren Namen. Gerne würde ich Ihre Auffassung zu den eingereichten Entwürfen erfahren – ob Sie wohl auch so entschieden hätten, wenn Sie in der Jury gewesen wären? Die umliegenden Gebäude sind bereits 1966 von Ihnen geplant worden. Wie hätten Sie sich wohl zu der heutigen Architektur positioniert?
Besonders Ihre Reisen spiegeln sich immer wieder in Ihrer Architektur. Hinweise dazu entdecke ich zum Beispiel an der Kirche in Muurame (1926) – hier finden sich besonders Elemente aus der italienischen Renaissance, die Sie 1924 auf Ihrer Hochzeitreise nach Italien für sich entdeckten. Wie würden Sie wohl den Einfluss Ihrer Reisen beschreiben? Wie bedeutend waren für Sie die Treffen mit Walther Gropius und Le Corbusier?
In der Architekturszene wird heute häufig der Begriff des „Stararchitekten“ gebraucht. Sie würden diesen Begriff wohl ablehnen. Sie beschreiben die Architektur als Diener der Gesellschaft. Die Ganzheitlichkeit mit der Sie Ihre Entwürfe betrachten, sticht schon bei Ihrem ersten international erfolgreichen Gebäude, dem Tuberkulosezentrum in Paimio, heraus. Schon hier war es Ihnen wichtig, nicht nur einfache Räume, sondern ein für den Menschen optimal angepasstes Umfeld zu schaffen. Hier haben Sie wie in vielen Ihrer Bauten die Innenarchitektur im Einklang mit dem Gebäude entworfen. Dies zeigt die Vielschichtigkeit und Genauigkeit Ihrer Entwürfe. So überrascht es mich nicht, dass Sie 1933 mit Ihrer ersten Frau Aino einen Betrieb zur Möbelherstellung in Ihrer Wahlheimat Helsinki gegründet haben. Dieser Betrieb bot Ihnen den spielerischen Raum, sodass sich Ihr Entwurfsspektrum durch Materialforschung und neue Technologien vergrößerte. Viele Ihrer gestalteten Objekte sind noch heute zu kaufen – als besonders beliebt gilt die Aalto-Vase, die Sie 1936 entworfen haben. Wie bei der Vase finden sich immer wieder organische Formen in Ihrer Architektur, wie wir gut an dem nach Ihnen benannten Aalto-Theater in Essen ablesen können.
Sie sind Ihren Träumen treu geblieben, obwohl Ihnen in Ihrer Jugend ein Architekt während eines Praktikums riet, sich eher dem Journalismus zu widmen. Heute gelten Sie nicht nur wegen Ihrer Bauten, sondern auch durch Ihre Möbel als wichtigster finnischer Architekt des 20. Jahrhunderts. Ich hoffe, dass Ihre Haltung und Ihr Werk bei der Auswahl des Gewinners vom Wettbewerb campus2015 Berücksichtigung finden.
Mit freundlichen Grüßen,
Carola Hestermann