Ganz groß schreiben viele Referenten auf der noch bis Sonntag laufenden SXSW in diesem Jahr das Thema künstliche Intelligenz (Artificial Intelligence, AI). Von lernenden Maschinen und Algorithmen ist da viel die Rede. Und von Gehirnen, die durch Vernetzung mit anderen Gehirnen oder mit digitalen Instrumenten ihre Kapazität auf ein Zehnfaches erhöhen – oder, wie es der AI-Guru Bryan Johnson formuliert, „maximieren“. Johnson, Gründer diverser forschungsbasierter Firmen, vertritt einen Techno-Optimismus, der die parallele Entwicklung von Menschen und Maschinen als eine lange Folge von radikalen Innovationen und darauf folgenden sozialen und kulturellen Gesellschaftsverbesserungen versteht.
Man mag diese Vision für allzu optimistisch halten, auch für arglos. Was aber schlüssig ist, ist Johnsons Argumentation, dass die menschliche Art zu denken und zu lernen sich verändern muss, um die immer stärker humanoide Züge annehmenden Denkmaschinen auch künftig zu kontrollieren. Wenn Technologie den Menschen immer mehr abnimmt, dann gilt es für uns, unser Eigenes klarer zu definieren. Wenn wir das schaffen, wenn wir also, zum Beispiel bezogen auf die Architektur, immer wieder zu überlegenen räumlich-gesellschaftlichen Lösungen kommen, auf die ein Algorithmus eben nicht kommt, dann haben wir vor der künstlichen Intelligenz auch nichts zu fürchten. Und vor zunehmend komplexer werden Planungstools á la BIMBIM steht für Building Information Modeling und bezieht sich auf die Erstellung und Verwaltung von dreidimensionalen Computermodellen, die ein Gebäude oder eine Anlage darstellen. BIM wird in der Architekturbranche verwendet, um Planung, Entwurf und Konstruktion von Gebäuden zu verbessern, indem es den Architekten und Ingenieuren ermöglicht, detaillierte und integrierte Modelle… 2.0 ebenso nicht.
Die Frage, die sich hier nun aber stellt: Wer entscheidet, in welchem Tempo sich Kulturkreise neuen Tools wie der AI öffnen? Für die künftige Weltgesellschaft und ihre Struktur ist das wichtig. Denn die Arbeit mit künstlicher Intelligenz wird die Produktivprozesse ganzer Volkswirtschaften verändern. Auch die grenzüberschreitende Teamarbeit dürfte davon beeinflusst werden. Denn wenn nun ein Land offen ist für künstliche Intelligenz, ein anderes nicht, dann sind grenzüberschreitende Teams aus AI-verstärkten und AI-losen Köpfen nur schwer denkbar. Die derart heterogenen Teams würden eben nicht mehr gleich „denken“ – und könnten folglich kaum mehr effizient zusammenarbeiten. Was letztlich einer Art Rücknahme der Globalisierung von Arbeitsprozessen gleich käme.
Das aber ist – noch – Zukunftsmusik. In Austin wird an vielerlei Stellen klar, dass auch die kühnsten Techno-Visionäre kein komplett klares Bild von der Gesellschaft (oder der Stadt) der Zukunft haben. Zumal auch eine Form von Retro-Atmosphäre in vielen Debatten mitschwingt. Zum einen wabert der gestrige Geist Donald Trumps über allem und auch durch viele Podiumsdiskussionen. Die SXSW ist damit dieses Mal überraschend politisch. Darüber hinaus gilt plötzlich, und das hat natürlich viel mit Trump zu tun, das journalistische Ethos klassischer Medien wieder etwas. Die New York Times oder die Washington Post werden auf verschiedenen Panels regelrecht gefeiert. Ihre journalistische Integrität und ihre Opposition zu Trump und Fake News verleihen ihnen eine neue Relevanz, auch in der Szene aus Digital-Propagandisten und Startup-Firmengründern.
Und dann ist da ja noch die Stadt Austin. Mitten in Texas liegt diese Enklave aus Lebensfreude und so ganz un-trumpiger Lässigkeit. Architektonisch wirkt sie einerseits ein wenig verhunzt, aber nicht ohne Charme. Da treffen Holzhütten auf Wolkenkratzer. Und dann ist da noch dieses Klohäuschen aus dem Jahr 2007 von Miró Rivera Architects. Ein bezauberndes Kleinod am Fluss. Schade eigentlich, dass sich die meisten SXSW-Besucher hierhin nicht verirren.