25.06.2014

Wohnen

Wohn-Konserve

Es bröckelt an den Wänden. Und das soll so sein – denn der Look dieses Apartments, genannt „HB6B – one home“, beruft sich bewusst auf das, was in den vier Wänden vorher schon war. Sprich: Welche Geschichte sie erzählen.

Und das ist die Geschichte: Das kleine Apartment in Stockholm stand 2012 zum Kauf, nachdem es dreißig Jahre lang als Lagerraum für Möbel genutzt wurde. In den 1980ern gab es einen Versuch vom Vorbesitzer, die Räume zu renovieren; als der krank wurde, blieben die angefangenen Arbeiten aber liegen. Damit bestand die unfertig renovierte Wohnung aus teilweise abgetragenen Tapeten und hier und da an der Wand klebenden Fliesen. Dass es keinen Strom gab und Ratten in der Wohnung hausten, rundet das Bild von dem Zustand ab, in dem die schwedische Architektin Karin Matz die Wohnung vorfand.

Neben der Tatsache, dass in Stockholm Wohnraum rar ist, reizte Matz aber genau das – also die Geschichte der unfertigen Wohnung. Und das Ergebnis mit Wänden, die einen unfertigen Look haben, wo hier und da was zu bröckeln scheint, und Materialien roh und unbehandelt wirken, spricht für die Faszination der Architektin für ein geschichtsträchtiges Apartment (ebenso die Tatsache, dass sie selbst eingezogen ist).

Die Faszination des Unfertigen – ein Megathema, gerade im Bereich der Interieurs. Und einen Namen hat man diesem Anti-Stil auch schon verpasst: „Shabby Chic“ – schäbiger Schick. Ein Begriff, mit dem heute viel Unsinn entsteht. Da kommt es dann schon mal vor, dass eine alte Wand in Wirklichkeit eine auf alt gemachte Wand ist. Genauso bei den Möbeln: Manche werden alt aussehend neu hergestellt.

In Stockholm ist aber alt, was alt ist und neu, was neu ist. Logisch eigentlich. Betrachtet man die Fotos von one home, passen die hellen Holztöne und die gedeckten Farben – unabhängig von Shabby Chic oder nicht schäbigem Schick – in ein Bild, das man eben von skandinavischem Design hat. Tatsächlich kommt Shabby Chic aus Großbritannien. Und tatsächlich ist der Stil auch nichts neues, sondern – eben in Großbritannien – bereits seit den 1980ern etabliert.

Was die skandinavische Version (jedenfalls hier) von anderen Shabby Chic’s unterscheidet, ist die doch klare Linie, die der Entwurf fährt. Denn im eigentlichen Sinne ist der Stil ja schon geprägt von Kitschmöbeln, kombiniert mit Pastelltönen. Und von „Unfertigem“. one home tritt dem Ganzen auch mal mit einer kräftigeren Farbe entgegen, wie den grünen Fliesen im Badezimmer. Und dem unfertigen Look wird hier auch als Kontrast das genaue Gegenteil vorgesetzt: nämlich „cleane“ und „saubere“ Elemente.

Vielleicht kann man bei dieser Shabby-Ausprägung vom Konservieren von Altem sprechen. Vermutlich wurde hier, wie man das oftmals so macht, der Putz mit einem Lack überzogen. Damit es nicht weiter bröckelt.

In Kooperation mit lightlive

Fotos: Karin Matz

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