20.12.2018

Öffentlich

California Bad Dreaming


Waldbrände in Kalifornien

Geschickte Politiker können den Katastrophenfall medienwirksam zu ihrem Vorteil nutzen, wie es Bill Clinton während des Mississippi-Hochwassers 1993 und Gerhard Schröder während der Elbe-Flut 2002 taten. Wahrscheinlich lag ihnen die Hilfe für die betroffenen Menschen auch tatsächlich am Herzen. Der US-amerikanischen Wählerschaft mag man dahingehend eine überraschende Innovationsleistung unterstellen. Sie haben bekanntlich eine Medienfigur zum Präsidenten gemacht, die zudem grandios unterqualifiziert ist für den Job der mächtigsten Person der Welt. Dies äußert sich auf besonders unglückliche Weise im Krisenmanagement, wie man in den letzten Tagen und Wochen beobachten konnte.

Katastrophale Waldbrände in Kalifornien führten auch dieses Jahr wieder zur Zerstörung von Häusern, zur Evakuierung von Anwohnern und zu Todesopfern. Die Antwort des Präsidenten war zunächst nicht, wie durch das National Response Framework gesetzlich vorgegeben, die Erklärung eines Notstandes und damit verbunden die Freischaltung von Hilfsgütern. Nein, stattdessen warf er den Verantwortlichen in Kalifornien Fehler vor und lud zum Ortstermin sogar nach: Eine wirksame Krisenvorsorge solle darin bestehen, die Wälder “sauber” zu halten. Mit dem Gartenrechen. So habe es angeblich auch der finnische Ministerpräsident seinem amerikanischen Gegenüber bestätigt, was jedoch zahlreiche Dementis und Internet-Spottbilder zur Folge hatte. Zudem brüskierte POTUS beim Ortsbesuch die Betroffenen (er machte aus dem Ortsnamen “Paradise” kurzerhand “Pleasure”, ist für ihn vielleicht auch einfach dasselbe), die Behörden vor Ort (die Forstwirte selbst hätten das Feuer erst möglich gemacht) sowie den Gouverneur (Klimawandel sei bekanntlich Unfug). Als Hintergrund dieser Trumpschen Deutung der Wirklichkeit mag man die Absicht zur Privatisierung der staatlichen Waldgebiete Kaliforniens vermuten. Damit verbunden ist die Aussicht auf lukrative, wenn auch höchst riskante Immobilienentwicklung.

Dressierte “Wilderness”

Moderne Gesellschaften machen es ohnehin erst durch institutionelle Rahmenbedingungen wie Katastrophenschutz oder privatwirtschaftliche Mechanismen wie Versicherungen möglich, dass die “Wilderness” so massiv besiedelt werden kann. Im globalen Süden sind es zumeist arme oder marginalisierte Menschen, die katastrophale Schadensfälle kaum alleine bewältigen können. In entwickelten Industrienationen gilt dies paradoxerweise auch für Betroffene mit Zugang zu Ressourcen, wenn das Katastrophenmanagement nicht funktioniert oder wenn Versicherungen Schäden anders bewerten als die Geschädigten. Doch es fällt schwer, menschliche Interventionen in die Umwelt als “Wurzel des Übels” zu betrachten. Daher stellt sich die Frage, warum es in Kalifornien immer wieder zur Katastrophe kommt und was man in Zukunft tun muss, um solche Brände in Siedlungsgebieten schneller einzudämmen oder gar ganz zu vermeiden.

Der Vorgartenrasen ist das Problem

Ein bereits im Mai dieses Jahres an den kalifornischen Gouverneur gerichteter, vom California Chaparral Institute mit weiteren NGOs verfasster Bericht weist auf die Ursachen hin. Es liegt demnach weniger an den Wäldern, wenn Brände Menschen gefährden. Vielmehr tragen starke Winde Glut und Asche in Richtung teils offener, teils besiedelter Bereiche, wo weitere Brände entfacht werden. Somit ist es die Umgestaltung von indigenen Naturräumen durch planerische Eingriffe und die großflächige Bebauung mit brennbaren Materialien, die zu den kalifornischen Brandkatastrophen beitragen. Nun wird ausgerechnet der unverstellte Vorgartenrasen zum Problem; den haben die Amerikaner gern, insbesondere zur Wertsteigerung ihrer “Frontage”, der verkaufsträchtigen Vorderansicht eines Einfamilienhauses. Fatal ist auch eine Fassade oder eine Dacheindeckung aus brennbarem Material. Ein Blickwechsel ist vonnöten. Statt den Wald zu “kontrollieren”, um Brände zu vermeiden, die doch nicht vermieden werden können, sollte man zuerst die Sicherheit der Häuser und ihrer Bewohner gewährleisten.

Was tun?

Der Bericht schlägt daher konkrete Maßnahmen vor, um zu verhindern, dass Winde Glut und glimmende Asche in Richtung brennbarer Bauten wehen und dazu führen, dass sich Waldbrände ausbreiten. Es gilt, Häuser nachzurüsten und an die bestehenden Umweltrisiken anzupassen. Als technische Lösungen eignen sich Sprinkler im Außenbereich (wie sie in Australien und Kanada bereits eingesetzt werden) und glutabweisende Lüftungsöffnungen und Lüftungsklappen. Hölzerne Dachkonstruktionen sowie brennbare Dachdeckung und Fassadenverkleidung sollen durch feuerwiderstandsfähiges Material ersetzt werden. Schließlich ist es notwendig, brennbare Vegetation in einem Umkreis von 30 Metern um Wohnhäuser herum zu überwachen. Diese Lösungen sollen in lokalen Bauordnungen verankert und durch Bundesmittel gefördert werden. Die ersten Massnahmen zeigen bereits Wirkung. Die Stadt Monrovia hat durch den Rückkauf von Grundstücken mit hohem Brandrisiko einen Puffer errichtet. Dieser vermindert die Gefahr umherfliegender Asche und Glut. In der Ortschaft Big Bear Lake wurden erfolgreich Bundesgelder zur Förderung widerstandsfähiger Bauweisen angeworben, und die Verantwortlichen halfen den Nachbargemeinden bei deren Antragstellung.

Klimawandel zu Thanksgiving

Der Schluss des Berichts bekräftigt, dass der Klimawandel in Kalifornien sich nachteilig auf den Erhalt der indigenen Naturlandschaft auswirken wird. Dies betrifft den Chaparral, einen Vegetationstypus mit dichtem Bewuchs an Hartlaubgehölzen, die mit ihrer dicken Rinde besonderes an die periodischen Waldbrände Kaliforniens angepasst sind. So erscheint es geradezu als bösartige Ironie, wenn das Weisse Haus einen tausendseitigen Bericht zum Klimawandel am Thanksgiving-Feiertag an der US-amerikanischen Gesellschaft “vorbeimogelt”. Einen Bericht, der die Auswirkungen des Klimawandels auf Umweltrisiken klar und dramatisch ausdrückt. Wenn sich das Klima weiterhin auf die beobachtete Weise verändert, bedeutet dies auch, dass Waldbrände zunehmen und stärker werden. Der momentane Anführer der angeschlagenen freien Welt nutzte seinen modernen Kommunikationskanal umgehend, um die reale Brisanz des Berichts postfaktisch zu revidieren.

Geschick gefordert

Man darf sich aber nicht täuschen lassen. Wir Menschen urbanisieren den Planeten immer mehr. Dadurch steigt auch das Katastrophenrisiko. Um nicht ganz in die Dystopie abzugleiten – die Verantwortlichen vor Ort haben begriffen, dass der Zusammenhang zwischen Landschaft und Besiedlung essenziell für eine wirksame Vorsorge ist, ebenso wie die Kommunikation und Koordination über die Ortsgrenzen hinaus. Man darf also hoffen, dass hier der Schlüssel zur Anpassung an sich verändernde Umweltbedingungen liegt. Der zweifellos langwierige Wiederaufbau darf aber nicht in überkommene Muster verfallen. Für Kalifornien bedeutet das, sich zu überlegen, wie die Schnittstelle zwischen dem indigenen Chaparral und den urbanisierten Siedlungsbereichen aussehen kann und welche baulichen Strukturen hier das Leben der Menschen nachhaltig sichern können. Somit ist ganz klar landschaftsarchitektonisches, städtebauliches und architektonisches Geschick gefordert.

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