Skalierbare Lösung
Zahlreiche Kommunen haben diese Tage große Probleme sich neu zu organisieren. Ob fehlende Laptops, mangelhafte Zugriffsrechte auf die Verwaltungsserver oder Datenschutzprobleme mit diversen Kommunikationstool: Auf den plötzlichen Wechsel ins Homeoffice waren viele Verwaltungen nicht vorbereitet. Die Stadt Mannheim wurde vergangenen Herbst vom Bitkom Smart City Index als digitalste Verwaltung Deutschlands ausgezeichnet. Sie sollte den Wechsel easy gemacht haben, oder? Wir haben bei Judith Geiser, Abteilungsleiterin IT-Qualitätsmanagement und digitale Strategie bei der Stadt Mannheim, nachgefragt.
Judith Geiser, profitiert die Stadt Mannheim diese Tage besonders von ihrem Digitalisierungsgrad?
Ja, wir konnten auf die bestehenden digitalen Strukturen aufsetzen, sie erweitern und damit zügig ein stimmiges Rundumangebot an mobilen Unterstützungen bereitstellen, das auch sehr gut genutzt wird. Auch unsere Online-Leistungen für Bürgerinnen und Bürger haben wir nochmals übersichtlich geordnet und in den Blickpunkt gerückt. Dabei können wir uns auch auf ein ausgezeichnetes und eingespieltes Team von IT-Koordinatoren in den Dienststellen verlassen und wissen in diesen Tagen vor allem die Leistungsbereitschaft unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der kommunalen IT, zentral wie dezentral sehr zu schätzen, die durchweg engagiert, flexibel und sehr gewissenhaft ihren Dienst tun. Die in den letzten zwei Jahren neu aufgestellte, gute Zusammenarbeit aller Abteilungen unseres Fachbereichs macht uns gerade jetzt sehr leistungsfähig.
Wie arbeitet die Verwaltung aktuell?
Wer mobil und wer Vorort arbeitet, entscheidet jede Dienststelle selbst. Unser Fachbereich Informationstechnologie hat es geschafft, in den letzten vier Wochen 800 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter über VPN vom Heimarbeitsplatz mit dem städtischen Netzwerk zu verbinden. Damit können diese die gleichen Funktionalitäten wie am Standardarbeitsplatz nutzen, was wir kontinuierlich und nach Bedarf weiter ausbauen. Diese Lösung ist bis 5.000 Mitarbeiter skalierbar. Wir haben die Bandbreite der verfügbaren Internetzugangskanäle verdoppelt und allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die Kommunikationslösung WebEx zur Verfügung gestellt. Damit können sämtliche Besprechungen virtuell durchgeführt werden. Außerdem haben wir auf allen städtischen, zentral unterstützten Smartphones die Möglichkeiten für die Messaging-Dienste WhatsApp, Signal und Telegram geschaffen und die Bandbreite parallel verfügbarer Telefonverbindungen von 400 auf 600 erhöht, gleichzeitig die Einrichtung und Produktivsetzung mehrerer Corona-Hotlines realisiert.
Ein gelungenes Change-Management
Und bei all den Maßnahmen gibt es keinerlei Probleme oder Herausforderungen?
Mit dem Ergebnis unserer Arbeit sind wir mehr als zufrieden. Aber ja, natürlich stellen auch wir fest, dass es hin und wieder – aufgrund der sehr hohen Nutzung überall – Störungen gibt, wo wir nachjustieren müssen. Vor dem Hintergrund der aktuellen Krise gilt es auch das Online-Angebot zu sichten und genau zu schauen, ob notwendige Services vorhanden und vernünftig erreichbar sind. Das erfordert schnelle Reaktionen. Die aktuelle Lage stellt die gesamte IT vor besondere Herausforderungen. Insoweit haben alle Kolleginnen und Kollegen der kommunalen IT ihren Beitrag zu einer Gesamtleistung zu erbringen. Gerade jetzt ist es wichtig, konstruktiv zusammenzuarbeiten und schnell auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen. Eigentlich erleben wir gerade alles, was ein gelungenes Change-Management ausmacht. Unsere Erfahrungen heute werden vermutlich lange nachwirken und unseren Blick auf die Arbeitswelt, die Infrastruktur und die Anerkennung einer funktionierenden, gelebten zentralen IT an sich grundsätzlich verändern.
Das Denken über Digitalisierung verändern
Die Politik debattiert derzeit hitzig über die richtige Exit-Strategie. Auf welche langfristigen Auswirkungen stellen Sie sich in Mannheim ein?
Wir sind sehr sensibilisiert, was die Organisation von potenziellen Krisenszenarios betrifft und werden diese in Zukunft noch stärker in den Fokus rücken. Aktuell spüren wir bereits die Folgen einer großen Nachfrage an Hardware (Mobiltelefone, PC, Notebooks) bei gleichzeitigem Rückgang der Produktion in China und einer gebeutelten Logistik. Der Markt wird Zeit brauchen um sich hier wieder zu erholen. Diese Erfahrungen werden unsere strategischen Überlegungen beeinflussen.
Konkret werden wir künftig stadtweit eine noch größere Anzahl an Notebooks nutzen als heute, da sie flexibler, ortsunabhängiger und kompakter eingesetzt werden können als herkömmliche PCs. So könnten wir beispielsweise auch bei einem partiellen Stromausfall vernünftiger mit mobilen Lösungen arbeiten, als mit den heute – aus zunächst finanziellen Überlegungen – üblichen Desktop-PCs. Mittel- bis langfristig steigern wir so Resilienz- und Handlungsfähigkeit unserer Verwaltung und unterstützen damit unser demokratisches Gemeinwesen.
Generell sehen wir, dass die aktuelle Situation das Denken über Digitalisierung verändert. Das Verständnis, dass unsere Gesellschaft – wir alle – von den neuen digitalen Möglichkeiten in ganz unterschiedlichen Bereichen profitieren können, hat sehr zugenommen. Das ist vor dem Hintergrund einer so schwerwiegenden epochalen Herausforderung auch eine große Chance.