12.03.2018

Produkt

„Das wichtigste ist differenziertes Licht“

Das Forum mit dem Hörsaal liegt in den Boden versenkt unter dem Schloss.


Drittes Thema: Komfortabel – wie Beleuchtung Lernorte unterstützen kann

„Vernetzt – Sicher – Komfortabel“ – unter den Schlagworten startet die Light + Building am 18. März in Frankfurt am Main. Wir haben die Topthemen der Weltleitmesse für Licht und Gebäudetechnik zum Anlass genommen, ausgewählte Experten der Architekturszene vorab zu treffen und mit ihnen ihre Visionen und Ideen für die Beleuchtung der Zukunft zu diskutieren. 

Im dritten und letzten Teil unserer Interviewreihe gehen wir der Frage nach, wie durchdachte Beleuchtung Lernorte in ihrer Funktion unterstützen kann. Wir sprachen mit dem Architekt Michael Schumacher, sein Büro schneider + schumacher Architekten plante die neuen Hörsäle für die Mannheim Business School.

Baumeister: Herr Schumacher, Forscher und Entwickler sind sich in einem Punkt einig: Licht nimmt Einfluss auf den menschlichen Körper – sowohl im positiven als auch im negativen Sinne. Wie hängen Licht und Gesundheit in der Architektur zusammen?
Schumacher: Sicher ist, dass Licht die Gesundheit beeinflusst. Zudem ist es ein sehr komplexes Thema, weil es eben auch um Lichttemperatur, Lichtfarben und Helligkeit geht. Was die Architektur betrifft, ist es so, dass man einen hohen Level an Helligkeit braucht – diese motiviert und erzeugt Aktivität. Noch wichtiger ist es aber, ein differenziertes Licht zu kreieren.

B: Und wie machen Sie das?
S: Wir versuchen – je nach Raumgefüge – helle als auch abgedimmte Bereiche zu schaffen. Wichtig ist dabei immer eine Mischung aus kaltem und warmem Licht. Warmes Licht empfinden wir als gemütlich, aber es ist selten hell genug, um etwas konzentriert zu erledigen. Deshalb benötigen wir eine Mischung, die sowohl die erforderliche Helligkeit ermöglicht, aber auch die emotionale Qualität erreicht, die zum Wohlfühlen erforderlich ist.

Schumacher: „Lichttemperatur und Lichtfarben können das Wohlfühlempfinden des Menschen beeinflussen.“

B: Wenn um acht Uhr morgens die Schulglocke läutet, sind die meisten Schüler noch im Schlafmodus. Welches Licht brauchen sie, um sie wach zu bekommen?
S: Hilfreich ist hierfür ein helles Licht mit einer Farbtemperatur, die der Sonne nachempfunden ist. Die Farbtemperatur liegt ungefähr bei 12 000 Kelvin.

B: Welches Lichtkonzept benötigt man für ein anhaltend konzentriertes Lernen?
S: Dafür ist eine Lichttemperatur von zirka 6 000 Kelvin mit einem gewissen Blauanteil förderlich. Sollte es einmal unruhig im Klassenzimmer werden, würde man die Lichttemperatur auf etwa 3 200 Kelvin runterdimmen. So können dem Biorhythmus des Menschen entsprechende Impulse für motiviertes und konzentriertes Arbeiten und Lernen vermittelt werden.

B: Würden Sie das unter dem Begriff Human Centric Lighting (HCL) zusammenfassen?
S: Ja, denn genau das versteht man unter HCL – es ist ein biologisch wirksames Licht, das bei richtigem Einsatz zu mehr Wohlbefinden, Motivation aber auch Ruhe führt. Allerdings muss HCL immer in einem individuellen Kontext stehen – bezogen auf den jeweiligen Raum, den Ort, die Landschaft, die Arbeit und die Kultur – die nicht mit nureinem Konzept oder einer DIN-Norm zu erreichen sind.

Michael Schumacher © Kirsten Bucher

Schumacher: „Jeder Nutzer verdient in seinen Räumlichkeiten ein gutes Lichtkonzept.“

B: Für die Studenten der Mannheim Business School haben Sie im letzten Jahr neue Hörsäle in den stillgelegten Heizungsraum und den dazugehörigen Kohlebunker integriert. Was waren hier die Herausforderungen?
S: Bei dem Projekt in Mannheim ging es um die Frage, wie man in einem Barockschloss – das viele schmale, aber wenig tiefe Räume hat – eine Möglichkeit für einen Hörsaalbereich findet. Für die Didaktik der Mannheim Business School musste eine entsprechende räumliche Anordnung gefunden werden. Hinsichtlich der Beleuchtung mussten wir sicherstellen, dass die Studierenden nicht das Gefühl haben, in einem kalten, nassen Keller zu sitzen, sondern gleich den Bezug nach draußen und zum Garten finden.

B: Mit welchen gestalterischen Maßnahmen hinsichtlich Beleuchtung haben Sie das geschafft?
S: In unterirdischen Räumen spielt künstliches Licht eine große Rolle. Um das optimale Licht erzeugen zu können, haben wir eng mit der Beleuchtungsfirma Zumtobel zusammengearbeitet – das hat schon bei einem vergangenen Projekt, der unterirdischen Erweiterung des Städel Museums, schon sehr gut geklappt. Über den beiden Hörsälen ist die Decke leicht nach oben gewölbt. Unterstützt durch indirektes Licht wird dadurch der Raum überhöht. Das ist sowohl eine Fortsetzung der Tradition der Baumeister des Barock, welche die Decken durch entsprechende Bemalung als unendlichen Himmel über uns interpretiert haben, als auch eine praktische Lösung.

B:Wie fördert Ihr Konzept das konzentrierte Arbeiten in der Mannheim Business School?
S: Wir haben ein rotes Farbkonzept für die Hörsäle entwickelt. Das Rot ist die Komplementärfarbe für das Grün des Rasens und erzeugt ungeteilte Aufmerksamkeit, wie sie jeder Dozent verdient, der hier lehrt. In Sachen Lichtplanung schafft die indirekte Beleuchtung der Überhöhungen der Hörsaaldecken durch tageslichtnahe LED-Strahler konzentrationsförderndes, gleichmäßiges, völlig blendfreies Licht, das zudem die Reflexe auf den Bildschirmen minimiert.

B: Und? Was sagen die Studenten zum Licht- und Farbkonzept?
S: Den ersten Rückmeldungen zufolge ist es uns ganz gut gelungen, einen Ort für freudvolles Studieren zu kreieren. Den Studenten gefällt das Miteinander von künstlichem und natürlichem Licht. Für letzteres haben wir Glasscheiben, die die Räume akustisch voneinander abtrennen, so angeordnet, dass sich vielfältige Spiegelungen ergeben, die den Raum größer und komplexer erscheinen lassen als er geometrisch ist. Durch diese Spiegelungen und die Reflexionen des grünen Rasens und der roten Hörsäle entsteht ein facettenreiches Lichtspiel in einem Raum, der sich ja eigentlich im Keller befindet.

Zusatzinformation

Vita Prof. Michael Schumacher Michael Schumacher ist Architekt und gemeinsam mit Till Schneider Inhaber und Geschäftsführer von schneider+schumacher in Frankfurt. Seit 2008 besteht das Büro aus verschiedenen Gesellschaften zu den Themen Architektur, Städtebau, Bau- und Projektmanagement sowie Design mit weiteren Büros in Österreich und China. Nach seinem Studium der Architektur an der Universität Kaiserslautern und einem Postgraduiertenstudium in der Klasse von Peter Cook an der Städelschule in Frankfurt am Main arbeitete Michael Schumacher als freier Mitarbeiter bei Sir Norman Forster, London. An besagter Städelschule hatte er von 1999 bis zum Jahr 2000 eine Gastprofessur und seit 2007 hat er eine Professur für Entwerfen und Konstruieren an der Fakultät für Architektur und Landschaft an der Leibniz Universität Hannover inne.

Human Centric Lighting besitzt eine biologische Wirksamkeit, die die Leistungskraft, Konzentration, Gesundheit und Vitalität fördert, aber auch Schlafstörungen oder Depressionen verhindern kann. Verantwortlich für die biologische Wirksamkeit von Licht ist beim Menschen ein dritter Fotorezeptor im Auge – sogenannte Ganglienzellen – die Wissenschaftler 2002 entdeckten. Sie enthalten ein lichtempfindliches Pigment, welches sehr sensibel auf Blauanteile im Licht reagiert. Der Fotorezeptor liefert somit dem Gehirn jene Informationen, ob man wach oder müde ist. Diese Erkenntnis wird dann in einem dem Stimmungszustand angepassten Lichtkonzept umgesetzt.

Zum zweiten Interview zum Thema “Vernetzt – smarte Lichtkonzepte für die Stadt von morgen.” geht es hier!

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