23.04.2020

Event

B5/2020: Städtisches Land – ländliche Stadt

Foto: Sebastian Schels/Simon Jüttner


Initiativen gegen Landschaftsverbrauch

Die Ansichten über das Leben auf dem Land gehen weit auseinander. Die einen halten es für hinterwäldlerisch, öde und rückständig, die anderen sehen darin die einzig „natürliche“ Lebensweise. Doch das sind Meinungen von Städtern. Wie sieht es dort in Wirklichkeit aus? Was heißt das für das Bauen auf dem Land? Eine Annäherung finden Sie im Maiheft – wir veröffentlichen das Editorial von Redakteurin Sabine Schneider.

Dieses Heft ist noch kaum von der Krise beeinträchtigt, die übliche Leere in manchen Architekturfotos ist jedenfalls nicht virenbedingt. Aber das Thema ist eines, das vor allem bei Städtern in Krisenzeiten zunehmend Sehnsucht und Fluchtgedanken auslöst: das Landleben. Es liegt schon seit Jahren in der Luft, wird debattiert, kritisiert, ignoriert, verklärt. Für alle sichtbar wurde es um das Jahr 2005, markiert durch das Erscheinen der dann unerwartet erfolgreichen Zeitschrift „Landlust“. Was Städter aufs Land zieht, ist die Vorstellung einer „natürlicheren“ Lebensweise mit besserer Luft, umweltfreundlicher Energiegewinnung, gesunden Lebensmitteln und „unberührter“ Natur, die aber doch bitteschön mit gepflegten Waldwegen, Hinweisschildern und Rastplätzen ausgestattet sein muss. All das soll das Land leisten.

Da hilft es, sich mit der Realität und einer messerscharfen Analyse der Situation auf dem Land auseinanderzusetzen. Der Kulturgeograf Werner Bätzing hat in seinem lesenswerten Buch „Das Landleben. Geschichte und Zukunft einer gefährdeten Lebensform“ nicht nur den Zustand damals und heute erforscht, sondern liefert auch Vorschläge, wie Stadt und Land künftig besser – und gleichberechtigter – nebeneinander gedeihen können.

Mit dem gleichen Ziel entstehen auch vielerorts bemerkenswerte Initiativen: gegen Landschaftsverbrauch und für Innenentwicklung, wie etwa „Urbanes Land“, eine Forschungsinitiative der Hochschule Biberach, die sich der Analyse von Urbanisierungsprozessen in Regionen mittlerer Dichte widmet. Die Architekturgalerie Aedes in Berlin veranstaltete noch Anfang März eine Gesprächsrunde zu „Hinterland: Landlust und Frust. Das Tierwohl zwischen Konsumgesellschaft und Agrarökonomie“. Und selbst den leidenschaftlichen Urbanisten Rem Koolhaas hat die Faszination Landleben erfasst – allerdings weniger die idyllische Seite als die hochtechnisierte. Bei der Eröffnung seiner Ausstellung im Guggenheim-Museum, „Countryside, The Future“, meinte er sogar, nur das Land, nicht die Stadt, habe Zukunft.

Dass auch Architektur eine positive Wirkung auf die Lebensqualität in der Region haben und ein Zeichen setzen kann, beweisen nicht zuletzt die Projekte im Heft. Auf jeden Fall ist das Landleben komplizierter als es scheint, wie es Juli Zeh überzeugend in ihrem Roman „Unterleuten“ schildert. Es gilt, was der Bürgermeister im Streit um Windräder im Dorf seufzend meint: Es sei halt nicht so einfach, das einfache Leben.

Scroll to Top