11.02.2020

Öffentlich

Zwei Mal Spanien in der Schweiz

Das Musée cantonale des Beaux-Arts de Lausanne

Mit dem Musée cantonale des Beaux-Arts in Lausanne und dem Tanzhaus in Zürich hat das spanische Büro Barozzi Veiga zwei neue Gebäude fertiggestellt. Damit kommt das in Barcelona ansässige Büro auf mittlerweile drei prestigeträchtige Projekte in der Schweiz. Wir stellen hier das Musée cantonale des Beaux-Arts in Lausanne vor.

Das Musée cantonale des Beaux-Arts de Lausanne, entworfen von Barozzi Veiga, Foto: Simon Menges
Das neue Museum ersetzt einen direkt neben dem Hauptbahnhof gelegenen Lokschuppen. Foto: Simon Menges
Das Mittelschiff des Lokschuppens blieb erhalten und wurde in das neue Gebäude integriert. Foto: Simon Menges

Hoch hinaus

Entlang der Bahnlinie von Lausanne stand vor einigen Jahren ein imposanter Lokschuppen, mit einem hoch aufragenden Mittelschiff, dem zwei Seitenflügeln mit Sheddächern angegliedert waren. Luftaufnahmen zeigten ein majestätisches Gebäude, das sich allerdings in keinem guten Zustand befand und kaum noch genutzt wurde. Aus diesem Grund entschied die Stadt Lausanne, den neben dem Hauptbahnhof gelegenen Lokschuppen abzureißen und die Gunst der Stunde für ein ambitioniertes Kulturprojekt zu nutzen. 2011 wurde der internationale Wettbewerb für das Musée cantonale des Beaux-Arts de Lausanne (MCBA) ausgelobt, an dem sich die internationale Architektenriege um Nieto Sobejano, Kengo Kuma, Caruso St John, Bernard Tschumi, Souto de Moura sowie die Schweizer EM2N und Gigon + Guyer beteiligten. Den Zuschlag bekam das in Barcelona ansässige Team von Barozzi Veiga. Für den Italiener Fabrizio Barozzi und den Galizier Alberto Veiga war das – nach dem Erweiterungsbau des Bündner Kunstmuseums in Chur und dem Zürcher Tanzhaus – bereits der dritte Schweizer Coup, den sie in kurzer Folge erzielen konnten.

Nun möchte man sich in der Olympia-Stadt Lausanne aber nicht mit einem Museum für zeitgenössische Kunst für den Kanton Waadt zufriedengeben. Bernard Fibicher, Direktor des neuen Musée cantonale, verkündete selbstbewusst, man wolle höher hinaus und mit den internationalen Kunstzentren gleichziehen. Deshalb sollen bereits im nächsten Jahr gleich zwei neue Kultureinrichtungen auf dem frei gewordenen Bahnareal der Plateforme 10 hinzukommen: das Musée de l’Elysée (Museum für Fotografie) und das MUDAC (Museum für Design und angewandte Kunst), die beide in einem Gebäude untergebracht werden. Derzeit errichten die Portugiesen von Aires Mateus am Kopfende des Areals den neuen Museumsbau, dessen breite Fassadenschlitze neben der Lichtzufuhr auch die Besucherströme regeln.

Verweis auf die Vergangenheit

Fabrizio Barozzi und Alberto Veiga wollten – im Gegensatz zu Aires Mateus – nicht jede Erinnerung an die ursprüngliche Bestimmung des Ortes löschen. Der nach Süden orientierte Teil des Mittelschiffs mit Rundbogenfenster konnte gerettet und in das Museumsfoyer integriert werden. Für den Museumsneubau ist das ein Glücksfall, denn im Foyer – das im Erdgeschoss den Zugang zu Buchladen, Restaurant, Auditorium, einem experimentellen „espace projet“ und einem sammlungsbezogenen „espace dossier“ regelt – spürt man noch am ehesten den industriellen Charme des Vorgängerbaus. Entgegen den meisten anderen Wettbewerbsentwürfen setzten Barozzi Veiga nicht auf eine formale Nähe zum Lokschuppen, sondern lediglich auf symbolische und emotionale Verweise.

Der seitliche Treppenaufgang führt zu einem der großen Fenster und kann als temporärer Hörsaal genutzt werden. Foto: Simon Menges
Das Foyer mit der imposanten Treppe, die zum Rundbogenfenster des Bestands führt. Foto: Simon Menges
Das Foyer mit der imposanten Treppe, die zum Rundbogenfenster des Bestands führt. Foto: Simon Menges

Im Unterschied zu Aires Mateus entschieden sich die Architekten nicht für einen hellen, leichten, geradezu schwebenden Baukörper, sondern für einen massiven, mit hellem Klinker verkleideten Riegel, der parallel zum Gleiskörper steht und im Süden wie ein Lärmschutzwall die störenden Geräusche des Bahnverkehrs abschirmt. Ungewöhnlich war der Schritt, die 145 Meter lange Fassade mit vertikalen Lisenen zu strukturieren. Sie sollen zwar die Ausstellungsräume vor direktem Sonnenlicht schützen, geben dem Museumsriegel aber auch einen Rhythmus, der seine Monumentalität deutlich abmildert. Das erinnert stark an Rafael Moneos Museo Nacional de Arte Romano im ehemals römischen Mérida, der in den 1980er-Jahren wie kein anderer Kulturbau die moderne spanische Museumslandschaft prägte. Einige weitere Spuren aus der industriellen Vergangenheit wurden ebenfalls belassen, wie etwa die Eisenbahngleise auf dem nördlich gelegenen Vorplatz, worauf das entstehende Museumsquartier Plateforme 10 nachdrücklich verweist. Barozzi Veiga entwarfen Foyer und Servicebereiche im Erdgeschoss als Verlängerung des öffentlichen Raums und installierten großzügige Fensterfronten, was bei nächtlicher Beleuchtung dazu führt, dass die massive Fassade geradezu porös wirkt. In Anlehnung an den Vorgängerbau wurden ebenfalls Sheddächer auf dem Museumsdach angebracht, während die in leuchtende Rechtecke unterteilte Deckenformation das von Norden einfallende Sonnenlicht in großen Trichtern reflektiert und in den Ausstellungsräumen als diffuse Lichtquelle verteilt.

Den Zugang zu den Räumen von Wechsel- und Dauerausstellung haben die Architekten so intelligent gelöst, dass jeder Besucher dies als absolut selbstverständlich hinnehmen dürfte. Die Erschließungen zum Sammlungsbestand mit 1.700 Quadratmetern und zu den Wechselausstellungen mit 1.300 Quadratmetern Grundfläche in den zwei Obergeschossen wurden räumlich getrennt, da nur die umfangreiche Sammlung der Werke eines Félix Vallotton, Maurice Denise, Ferdinand Hodler, Jean Dubuffet, Balthus bis hin zu Rebecca Horn und Thomas Hirschhorn frei zugänglich ist. Auf den beiden oberen Geschossen wird sie allerdings mit den Bereichen der Wechselausstellung horizontal zusammengeführt. (…)

Den Artikel über das Musée cantonale des Beaux-Arts in Lausanne sowie über das Tanzhaus in Zürich finden Sie in unserer aktuellen Baumeister-Ausgabe 02/2019.

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