09.05.2014

Öffentlich

Zertifizierte Kunst

„Ist die Architektur noch eine Kunst? Fast möchte man es zu verneinen suchen. Der Architekt hat weder innerhalb der Künstlerschaft noch im Publicum den Stempel des vollen Künstlerthums. Der unbedeutendste Maler, der kleinste Bildhauer, der schwächste Schauspieler und der unaufgeführteste Componist nehmen uneingeschränkt die Künstlerschaft für sich in Anspruch, und dieselbe wird ihnen von der Welt auch willig gegeben. Aber der Architekt muß schon Hervorragendes geleistet haben, ehe man ihn in die Reihen der Künstler aufnimmt.“

Ja gut, könnte man sagen, jetzt reicht es aber langsam mit diesem ganzen Künstlertum. Wir haben wirklich andere Probleme hier – Wohnungsnot, Energiewende, Gentrifizierung, marode Schulen, sanierungsbedürftige Krankenhäuser, Bahnhöfe, Schienennetze. Nur dass man dieser Logik folgend auch alle Opernhäuser und sonstige, irgendwelchem kulturellen Gedöns nachhängenden Institutionen schließen müsste. Und auch sollten wir nicht vergessen, dass der Laden ja gerade brummt! Warum also nicht auch bei der Architektur im Zuge der Immobilienblase ein bisschen in die (bau)künstlerischen Werte investieren – dann hat man wenigstens nach dem Platzen dieser Blase was davon – und nicht nur ein verlorenes Investment in den Gewinn von Maklern und Bauträgern getätigt! Davon haben sich seinerzeit sogar die Investorenhaie im Chicago der Jahrhundertwende überzeugen lassen und der große Louis H. Sullivan und einige andere sind als deren Architekten ja vielmehr als Schöpfer feinster Ornamente und Fassaden auffällig geworden denn bloß als deren zweckdienliche Funktionalisten.

Adolf Loos – um auf diesen großartigen Polemiker zurückzukommen – kritisiert in seinem Aufsatz „Unseren jungen Architekten“ ja auch gar nicht die Gesellschaft, welche nicht mehr bereit wäre den Architekten als Künstler zu sehen, sondern vielmehr die Architekten selbst, die all ihre Energie und ihren Ehrgeiz auf den Schutz ihres Berufsstandes und Titels legen. Weil diese aber darüber ganz vergessen haben sich das entsprechende Vertrauen in ihre eigentlichen – nämlich künstlerischen – Fähigkeiten zu erwerben, machen sie sich erst recht lächerlich.

Er schreibt, sie kritisierten, dass ,Jeder Maurerjunge sich jetzt Architekt nennen kann’. Und antwortet: „Wenn’s ihn freut, warum denn nicht. Wurde der Ruhm Beethovens und Wagners verdunkelt, weil sich der Verfasser eines Couplets Componist nennt? Hat es Lenbach und Menzel je geschadet, dass sich jeder Anstreicher Maler heißt? Sicher nicht. Wie sehr hätten sich die beiden blamiert, wenn sie dieses Umstandes wegen den staatlichen Schutz für die Bezeichnung Maler verlangt hätten!“

Und heute? Hat man den Eindruck wir stünden nicht weit von dieser Diagnose entfernt. Alles ist reguliert und geschützt – nur die erwünschte Qualität (noch fern jeglicher Kostendebatten im übrigen) mag sich nicht einstellen. Einen wie Peter Märkli oder einen wie Max Bill etwa – den würden wir hierzulande erst mal wieder zurück an die Schule schicken solange bis er endlich mit einem ordentlichen Diplom wieder herauskommt. Da könnte ja sonst jeder kommen und wie letzterer ein bisschen Silberschmied lernen, ein Jährchen am Bauhaus studieren und sich dann Architekt nennen und Künstler und Designer und Intellektueller – geht’s noch? Und Häuser bauen und Uhren entwerfen, die auch heute noch relevant sind! Was für eine Hochstapelei!

Apropos Bill, was bisher keiner wusste – im Münchner Vorort Harlaching bekannt für Neuhässliches von Neureichen steht ein Häuschen von ihm – zumindest sieht es aus wie eines … ein bisschen hässlich vielleicht, aber interessant.

Aber davon beim nächsten Mal mehr … Fortsetzung folgt …

Zitate:
aus Adolf Loos, Über Architektur, Wien 1995, S.31/32

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