27.04.2025

Architektur Wohnen

Ein Wohnhaus auf Fanø von Pihlmann Architects

Einfamilienhaus
Die Neuinterpretation des traditionellen Langhauses auf Fanø: robust in der Konstruktion, feinfühlig im Detail – ein Wohnhaus zwischen Dünen und Westwind. Foto: Hampus Berndtson

Auf der dänischen Nordseeinsel Fanø, zwischen Heideflächen, Kiefernwäldern und dem wuchtigen Horizont des Hafens von Esbjerg, steht ein Neubau, der sich still in die raue Landschaft einfügt. „House on Fanø“ von Pihlmann Architects ist kein gestisches Manifest, sondern eine bewusste Rücknahme: eine Architektur, die sich aus lokalen Bautraditionen speist, ohne in Folklore zu verfallen.


Typologie des langen Hauses

Die Form des Hauses folgt einem klaren historischen Vorbild: dem Langhaus, das auf Fanø seit Jahrhunderten das Landschaftsbild prägt. Bauern und Seeleute errichteten diese Gebäude in massiver Bauweise mit durchgehendem Satteldach, in Ost-West-Ausrichtung – als Schutzschild gegen die stetigen Westwinde. Die neue Interpretation bewahrt diese Prinzipien, aktualisiert sie aber für eine zeitgemäße Nutzung und Bauweise.

Mit 198 Quadratmetern ist das Haus als privates Wohnhaus konzipiert. Die äußere Form bleibt der historischen Typologie verpflichtet: ein langgestreckter Baukörper mit steilem Ziegeldach, dessen Terrakotta-Fassade sich farblich in die Landschaft einfügt. Durch eine umlaufende Dachüberstände entstehen geschützte Außenräume – windgeschützt, aber offen zum Gelände. Die Ausgrabung des Baugrunds wurde genutzt, um Dünen um das Haus aufzuschütten: eine topografische Geste, die das Gebäude zugleich verankert und einbettet.


Sichtbarkeit als Konzept

Im Inneren dominiert eine Materialität, die bewusst ungeschönt bleibt. Sichtbarkeit ist hier kein Nebeneffekt, sondern eine zentrale Haltung. Die tragenden Wände bestehen aus unverputzten Tonhohlblocksteinen, deren Reliefe eine haptische Qualität besitzen. Die Außenwände erhielten eine grobkörnige Terrakotta-Putzschicht, deren Farbton dem pigmentierten Sichtestrich des Bodens ähnelt. Die Struktur der Materialien bleibt stets lesbar.

Die Decke – eine Kassettendecke aus Fichtenbalken – wird nicht verkleidet, sondern bildet ein durchgehendes Fries, das die Dachkonstruktion wie einen aufliegenden Deckel erscheinen lässt. Die zurückhaltende Gestaltung der Haustechnik folgt demselben Prinzip: Leitungen und Leuchten bleiben sichtbar, ohne dominant zu werden.

Foto: Hampus Berndtson
Foto: Hampus Berndtson
Foto: Hampus Berndtson
Foto: Hampus Berndtson
Foto: Hampus Berndtson

Struktur statt Geste

Der Grundriss gliedert sich in drei Volumen: ein zentraler Wohnbereich mit jeweils einem Raum an den Enden. Badezimmer, Schlafzimmer und Nebenräume sind in diesen Endzonen untergebracht. Der zentrale Wohnraum lässt sich in den Sommermonaten vollständig öffnen – als eine Art Windfang-Wintergarten, der zwischen Innen und Außen vermittelt, ohne vollständig klimatisch entkoppelt zu sein.

Zwei eingezogene Zwischengeschosse – ohne trennende Wände, aber mit durchgehender Blickbeziehung von Giebel zu Giebel – beherbergen ein kleines Büro und ein Gästezimmer. Die Raumkomposition folgt keinem gestalterischen Dogma, sondern der Logik der Nutzung und Konstruktion. Es entsteht ein fein austariertes Verhältnis von Offenheit und Geborgenheit.

Querschnitt von Pihlmann Architects
Längsschnitt von Pihlmann Architects
Axonometrie von Pihlmann Architects
Grundriss Erdgeschoss von Pihlmann Architects
Grundriss Erdgeschoss von Pihlmann Architects
Grundriss Obergeschoss von Pihlmann Architects

Materiallogik als Entwurfsprinzip

Auffällig ist die Konsequenz, mit der Pihlmann Architects die Materiallogik als Entwurfsprinzip ernst nehmen. Jedes Bauteil erfüllt eine definierte Funktion, folgt seiner eigenen Materialästhetik – und bleibt dennoch Teil eines übergeordneten Ganzen. Der Verzicht auf Verkleidungsschichten bedeutet nicht rohe Materialität um ihrer selbst willen, sondern das bewusste Freilegen funktionaler und atmosphärischer Potenziale.

Dabei wird nicht romantisiert, sondern rationalisiert. Der ornamentale Reiz der Bausteine, das warme Streiflicht auf dem Sichtestrich, die tektonische Lesbarkeit der Dachstruktur – sie entstehen nicht aus gestalterischer Zutat, sondern aus konstruktiver Konsequenz.


Resilienz als Haltung

Im Subtext des Projekts lässt sich ein Begriff lesen, der in der zeitgenössischen Architektur zunehmend an Bedeutung gewinnt: Resilienz. Nicht im Sinne spektakulärer Nachhaltigkeitsrhetorik, sondern als stille Widerstandskraft gegenüber Vergänglichkeit, Moden und funktionaler Überfrachtung. Die Trennung der Komponenten, ihre präzise Fügung und die Reduktion auf das Wesentliche führen zu einem Gebäude, das sich langfristig bewähren kann – in einem Klima, das rau, aber nicht feindlich ist.

Das Projekt wurde in unserer Maiausgabe vorgestellt. Mehr Projekte zum Thema Design finden sie im Heft. 

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