22.04.2025

Architektur Wohnen

44 Wohneinheiten in Saint-Denis von DREAM

Der Neubau mit 44 Wohneinheiten von DREAM. Foto: Cyrille Weiner

Zwei Jahrzehnte nach dem verheerenden Brand in einem heruntergekommenen Wohnhaus an der Rue Fraizier in Saint-Denis markiert ein Neubauprojekt einen Wendepunkt in der Stadtentwicklung des Pariser Nordens. Die Pariser Agentur DREAM (Dimitri Roussel) hat dort ein Wohnensemble mit 44 Einheiten realisiert – zur Hälfte zur Miete, zur Hälfte als gefördertes Eigentum nach dem Modell des „Bail Réel Solidaire“ (BRS). Es ist das erste Projekt dieser Art in Saint-Denis. Doch hinter der ambitionierten Geste steht weniger architektonisches Auftrumpfen als vielmehr ein funktionaler, seriell gefertigter Wohnungsbau, der sich um soziale Integration bemüht.


Ein Ort mit Geschichte

Der Neubau steht auf einem Grundstück, das seit dem Brand von 2001 brachlag. Das damalige Feuer hatte die maroden Zustände in dem von Miethaien ausgenutzten Altbau drastisch offengelegt. Die darauf folgende Leerstelle wurde nicht nur als physischer, sondern auch als sozialer Makel wahrgenommen. DREAM versteht das Projekt nun als Beitrag zur „Reparatur“ der Nachbarschaft – und zur Reetablierung von Vertrauen in den städtischen Raum.


Typologievielfalt statt Standardgrundriss

Die 44 Wohneinheiten verteilen sich auf mehrere Baukörper und folgen einem klaren Grundsatz: möglichst viel Individualität innerhalb der standardisierten Produktion. Fast alle Wohnungen sind durchgesteckt, viele orientieren sich in mehrere Himmelsrichtungen. Ein Großteil verfügt über großzügige Außenräume – Balkone oder ebenerdige Gärten. Auch an innenräumliche Qualitäten wurde gedacht: separate Eingangsbereiche mit Stauraum, Tageslichtküchen, die bei Bedarf geschlossen werden können, sowie große Fensteröffnungen mit Panoramablick gehören zum Repertoire.

Die Grundrissgestaltung orientiert sich an der Charta von Plaine Commune, dem interkommunalen Verband, der für das Gebiet zuständig ist. Die städtebauliche Setzung der Gebäude reagiert auf morphologische und klimatische Analysen des Standorts. Eine typische Antwort der Planung ist etwa die Staffelung und Ausrichtung der Volumina zur Optimierung des Tageslichts und der natürlichen Belüftung.


Serielles Bauen mit Holz und Metall

Gestalterisch verzichtet DREAM auf gestische Experimente. Der architektonische Ausdruck entsteht vielmehr aus der Materialität und Rhythmik der Fassade. Holzlamellen, Metallpaneele und offene Balkontragwerke aus einer Holz-Metall-Kombination strukturieren die äußere Hülle. Dabei wurde großer Wert auf Vorfertigung gelegt: Die Holzrahmenbauwände mitsamt Bekleidung, Fenster und Verschattungselementen wurden komplett im Werk gefertigt. Auch die selbsttragenden Balkone kamen vormontiert auf die Baustelle.

Diese Strategie bringt mehrere Vorteile: Zum einen steigert sie die Ausführungsqualität, zum anderen reduziert sie die Bauzeit – ein Faktor, der im dicht bebauten und sozial sensiblen Saint-Denis eine besondere Rolle spielt. In der Summe entsteht so ein Wohnbau, der auf CO₂-reduzierte Bauweisen setzt, ohne dies visuell auszuspielen.

Foto: Cyrille Weiner
Foto: Cyrille Weiner
Foto: Cyrille Weiner
Foto: Cyrille Weiner
Foto: Cyrille Weiner
Foto: Cyrille Weiner
Foto: Cyrille Weiner
Foto: Cyrille Weiner
Foto: Cyrille Weiner

Gemeinschaftsorientierung im Maßstab

Auffällig am Projekt ist das Bemühen, neben dem privaten Wohnraum auch gemeinschaftlich nutzbare Zonen zu etablieren – ein Konzept, das andernorts oft unter „Third Places“ läuft. In Saint-Denis sind es einfache, aber wirksame Elemente: ein großer, einladender Eingangsbereich, begrünte Innenhöfe mit Durchwegung sowie Dachgärten, die als Rückzugs- und Begegnungsorte dienen. Die Lobbys fungieren dabei als halböffentliche Pufferzonen zwischen Straße und Wohnung. Sichtbezüge zum Hof sollen nicht nur Licht, sondern auch soziale Kontrolle ermöglichen.

Konzipiert wurde das Ganze in Zusammenarbeit mit der öffentlichen Wohnungsbaugesellschaft Plaine Commune Habitat. Ziel ist es, eine heterogene Bewohner*innenschaft anzusprechen – sowohl Menschen mit geringem Einkommen als auch junge Familien, die über das BRS-Modell Eigentum aufbauen möchten.


Kostendruck und Umweltvorgaben

Mit einer Bausumme von rund sieben Millionen Euro und einer Wohnfläche von 2.775 Quadratmetern (SHAB) bewegt sich das Projekt im Rahmen dessen, was in einem geförderten Kontext realisierbar ist. Die Zertifizierung nach „NF Habitat“ sowie die Einhaltung der französischen Wärmeschutzverordnung RT 2012 mit 20 Prozent Unterschreitung unterstreichen die ökologische Ausrichtung.

Zu den Projektbeteiligten zählen u. a. Bollinger+Grohmann (Tragwerksplanung), ENEOR (Haustechnik), Le Sommer (Zertifizierung) und Topager für die Landschaftsarchitektur. Die Koordination der unterschiedlichen Gewerke übernahm Cap-Exe.


Ein Projekt zwischen Signal und Alltag

Was lässt sich aus dem Projekt in Saint-Denis für die gegenwärtige Wohnbaudebatte ableiten? Sicher kein neuer Typus. Vielmehr zeigt es, wie durch eine Kombination aus solider Planung, serieller Fertigung und kommunaler Steuerung ein Beitrag zur nachhaltigen Stadtentwicklung geleistet werden kann – jenseits gestalterischer Überhöhung, aber auch ohne in banale Funktionalität zu verfallen.

Die Architektur bleibt zurückhaltend, aber bewusst. Ihre Wirkung entfaltet sie über die alltägliche Nutzung – als Ort des Wohnens, der Begegnung und der Wiederaneignung eines lange vernachlässigten städtischen Raums.

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