12.06.2017

Öffentlich

Wipp wipp hurra?

Nun wird also doch gewippt. Der Bundestag hat nach diversem Hin und Her das „Einheitsdenkmal“ vor dem ebenso mit Anführungszeichen zu versehenden „Berliner Schloss“ abgesegnet. Spaßvögel unter den Berlintouristen dürfen sich also nach Besuch der Schlossattrappe und der damit verbundenen Zeitreise in irgendein daherphantasiertes 19. Jahrhundert per Wippe in die späten 80er nach Ostberlin wippen. So oder so ähnlich ist das wohl gedacht.

Grundsätzlich ist es immer gut, wenn eine quälend lange Architekturdebatte mal zu Ende geht und gebaut wird. Beim Schloss ging es mir so, nachdem ich mich über viele Jahre darüber mit meinem Vater gestritten hatte. Ich halte das Projekt immer noch für Unsinn, resigniere jetzt aber und sage mir: dann macht halt. So ähnlich wird es auch mit der Wippe gehen. Und dennoch ist jetzt der richtige Zeitpunkt, um zu fragen: Was bringt dieses Ding?

Zunächst einmal: Braucht es ein „Einheitsdenkmal“? Also einen symbolhaften architektonischen Ort, der qua räumlicher Zeichenhaftigkeit an die friedliche Revolution erinnert? Ich finde, das kann man durchaus legitimieren. Die Wende war ein historischer Vorgang, und einer, der im heutigen Berlin mitsamt seiner zusehends verschwindenden Mauer in Vergessenheit zu geraten droht. Es wäre eben eine Engführung der Geschichtsdeutung, die wendebezogene Raumsymbolik in der Stadt auf die Spaßangebote rund um den Checkpoint Charlie zu reduzieren. Ein bisschen Ernsthaftigkeit tut hier gut.

Aber auch nicht zu viel, werden Wippe-Fans jetzt rufen und auf den spielerischen Charakter des Projektes von Milla & Partner hinweisen. Und ich werde nun nicht in die Falle tappen, dies zu kritisieren. Nein, eine gewisse Lässigkeit tut in der Architektur und auch in der mit historischen Themen arbeitenden Architektur gut. Gerade die Gedenkkultur leidet mitunter an moralinsaurem Besserwissertum.

Nein, mein Problem mit der Wippe ist etwas anderes. Und zwar gerade ihre ernsthafte, bemühte Eindimensionalität. Sie liefert eindeutige Symbole. Die Wippe, die Suche nach dem Gleichgewicht zwischen Ost und West. Zwei Seiten. Klar. All das ist eine Metaphorik der Statik. Hier verändert sich nichts, hier werden keine sperrigen Eindrücke angeboten. Hier werden auch keine räumlichen Gefühle des Unwohlseins erweckt, wie sie etwa Peter Eisenmans Holocaust-Mahnmahl produziert. Hier liefert die Architektur eine so eindeutige Interpretierbarkeit, dass die Grundfunktion eines Denkmals, zum Innehalten und Nachdenken anzuregen, hier nicht erfüllt wird. Die Wippe ist meines Erachtens nicht zu unernst, sondern zu unkomplex.

Sie stellt insofern auch ein Beispiel spezifischen Berliner Scheiterns dar. Der Initiator des Projektes, Florian Mausbach, schreibt in einer gerade verschickten freudigen Rundmail: „So was Verrücktes, ein Denkmal, das sich bewegt, das bewegt wird, das gibt es nur in Berlin!“ Genau diese Art pseudolustiger Sekretärinnen-Verrücktheit ist es, die einerseits Berlintouristen aus Rottach-Egern oder Wanne-Eickel kurzzeitig verzücken dürfte. Die aber letztlich mit der Faszination Berlins nichts zu tun hat. Das gelebte heutige Berlin, das ja nicht nur historisch aus der 1989er-Revolution hervorging, sondern auch aus dem Geist dieser Bewegung, dieses Berlin findet sich in der Wippe nicht wieder.

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