24.06.2015

Gewerbe

Wieviel Smartness braucht das Heim ?

Wir sind alle Manager unseres Lebens. Und das bedeutet immer auch: unseres Lebensumfelds. Wir managen die Räume, die uns umgeben, und damit auch die Gebäude, in denen wir leben. Diese Managementaufgabe wird immer komplexer – durch technologische Innovationen. Das Schlagwort dazu: „Smart Home“, die Vision des vernetzten Gebäudes. Als Vision existiert das Leben in Smart Homes schon länger. Jetzt aber scheint es Wirklichkeit zu werden. Hightech hält mit Macht Einzug in unsere vier Wände. Ob man das nun euphorisch begrüßt oder unheimlich findet. (Wer das mitdenkende Haus als Gruselvision ästhetisiert bekommen möchte, dem empfehle ich den Roman „Gridiron“ von Philip Kerr. Darin dreht ein Haus durch und führt vor, wie wenig Verlass im Extremfall auf die Klugheit der Technik ist.)

Technologie trifft Lebensrhythmen

Die Themen, an denen die Unternehmen arbeiten, sind anders als in Gridiron nicht primär einer paranoiden Grundstimmung in der Bevölkerung geschuldet. Es geht auch, aber nicht in erster Linie um Sicherheit. Es geht vor allem um ein räumliches Umfeld, das sich unseren Lebensrhythmen anpasst. Es geht um LEDs, die Räume passend zu unseren Aktivitäten ausleuchten, zum Beispiel das richtige Licht für eine gerade vorgelesene Geschichte im Kinderzimmer schaffen. Das ist eine herausragende Idee. Und eine Chance für die Architekten. Sie können, sie müssen allerdings auch die atmosphärischen Möglichkeiten des Lichtdesigns in ihre Planungen einbeziehen. Unternehmen wie Zumtobel, Philips oder Osram arbeiten an solchen intelligenten Lichtsystemen. Die Smart-Home-Technologien sind recht weit entwickelt. Und die Bereitschaft der Konsumenten zum Kauf computergesteuerter Haustechnologie wächst. 36 Prozent aller Deutschen können sich vorstellen, eine programmierbare Leuchte oder einen entsprechenden Schalter anzuschaffen. Immerhin. Noch kaufbereiter sind die Bundesbürger der Bitcom-Studie zufolge bei Assistenzsystemen für ältere Menschen – 68 Prozent Kaufbereitschaft. Programmierbare Rollläden, Fenster oder Türen interessieren 42 Prozent, computergesteuerte Heizkörper oder Thermostate 39 Prozent. Das Haus, das genau dann warm ist, wenn wir es wollen – diese Idee steht meist im Zentrum der schönen neuen Smart-Home-Welt. Und das hat ja auch etwas. Funktionieren kann das Ganze aber nur mit dem richtigen (und das muss heute natürlich heißen, kabellosen) Steuersystem. Das iPhone als Managementzentrale für ganze Gebäude. Momentan liefern sich Unternehmen weltweit einen Wettbewerb um die „Pole Position“ als Schaltstelle des Hauses. Zu sehen war das gerade auf der Consumer-Electronics-Show in Las Vegas. Das Schöne aus Managementsicht dabei: Die generierten Steuerungskonzepte sind so komplex, dass sie quasi automatisch viele verschiedene Unternehmen zum Kooperieren veranlassen. Das Smart Home lässt eine Kultur des Austauschs entstehen. So arbeitet die Telekom momentan mit Unternehmen wie Samsung oder Miele an einer Basisstation, die über WLAN Küchen, Leuchten oder Lautsprecher integriert.

Google kauft Nest

Natürlich sind, wenn es um so viel Technologie geht, auch die Internetgiganten aus den USA groß mit dabei. Womit wir wieder beim Thema Unbehagen wären. Der Suchmaschinengigant Google hat gerade, von der breiten Öffentlichkeit kaum bemerkt, den Rauchmelderhersteller Nest geschluckt. Google wird damit zum Hausausstatter. Nest selber kaufte gerade einen Hersteller von Überwachungskameras und ein Startup, das sich auf Smart-Home-Plattformen konzentriert. Klar ist also: Das „smarte Haus“ ist im Anflug und teils schon da. Beispielsweise in Form des hypervernetzten Mehrfamiliengebäudes, das Xing-Gründer Lars Hinrichs gerade in Hamburg baut, genannt „Apartimentum“. Das Marketinggetröte mag etwas nervig wirken. Aber ein interessantes Versuchslabor ist der 37-Wohnungen-Komplex auf jeden Fall. Aus architektonischer Sicht muss man die technologische Hochrüstung der Gebäude nicht unbedingt feiern. Denn klar ist, dass damit der Architekt als alleiniger Chef über die Wirkungen von Immobilien sein Monopol verliert. „Der Architekt wird zum Maschinenbauer“, schrieb der Journalist Hanno Rauterberg gerade in der „Zeit“. Das mag so sein. Aber auch da gibt es bessere und schlechtere. Auf jeden Fall sind die Technologien im Haus ein Anlass für die Baumeister von heute, einen gedanklichen Grundkurs in Sachen Hausmaschinenbau zu absolvieren. Und zwar nicht, um zum Dienstleister für die Bauindustrie zu mutieren. Sondern um sich durch technologische Kenntnisse möglichst viele gestalterische Freiräume zu behalten.

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