14.11.2018

Gewerbe

Warum Hochhäuser bauen – und prämieren?

Peter Cachola Schmal und der diesjährige IHP-Gewinner Benjamín Romano beim Gespräch im Siegerprojekt „Torre Reforma“ (Mexiko-Stadt). Foto: Moritz Bernoully.

Das Deutsche Architekturmuseum vergibt alle zwei Jahre den Internationalen Hochhauspreis. In diesem Jahr siegte Benjamín Romano mit seinem „Torre Reforma“ in Mexiko-Stadt. Doch der Preis zieht auch Kritik auf sich, zuletzt etwa von Stefan Forster in der „Welt“. Wir fragten bei Museumschef Peter Cachola Schmal nach, warum er das Bauen in der Vertikalen trotzdem für relevant hält.

Baumeister: Herr Cachola Schmal, glauben Sie, dass das Bauen in die Höhe im urbanen Raum Zukunft hat?

Peter Cachola Schmal: Das Hochhaus ist die Bauform der Zukunft. Nur das vertikale Bauen wird weniger Fläche verbrauchen. In allen dynamisch wachsenden Städten der Welt wird dieses Wachstum nur vertikal erfolgen können, eine weitere Ausdehnung verbietet sich, will man diese Metropolen noch im Griff haben. Die größten Städte der Welt werden aufgrund des rapiden Bevölkerungswachstums künftig in Afrika sein, so könnte die nigerianische Stadt Lagos mit bis zu 100 Millionen Einwohner der Spitzenreiter werden. Natürlich wird Europa nicht so dynamisch wachsen wie Afrika oder Ost- und Südostasien, obwohl wir auch hier mit einem starken Bevölkerungswachstum – bedingt vor allem durch die Migration – zu kämpfen haben werden. Hier können Vertikalstrukturen eine Lösungsperspektive darstellen. Auf der anderen Seite haben wir noch keine Antwort gegen das Phänomen der vertikalen Geldanmlagen gefunden – also Hochhausbauten, die primär für Luxus-Wohneinheiten genutzt werden. Das erzeugt berechtigterweise Kritik, denn unbewohnte Wohntürme wie in London können der Stadt nicht zugutekommen. Wir werden uns, besonders in Frankfurt, mehr mit diesem Thema auseinandersetzen und steuerliche oder rechtliche Antworten darauf finden müssen.

Der Hochhauspreis stößt auf ein hohes mediales Interesse, aber mitunter auch auf Kritik. Warum ist er dennoch zeitgemäß?

Es werden bei uns in Europa nur wenige Hochhäuser über 100 Meter gebaut, insofern könnten ihn manche für eine für uns irrelevante Bauform halten. Spannend ist aber, das von den 36 weltweiten Nominierungen dieses Jahr die Hälfte von europäischen Architekten entworfen wurden. Das heißt, dass unsere Architekten durchaus eine globale Relevanz haben. Sie planen auch mit europäischen Fachingenieuren und Produkten. Wir profitieren also von der globalen Entwicklung. Insofern ist die Suche nach den besten und innovativen Lösungen sogar in unserem eigenen Interesse. Und wir machen auf Entwicklungen in den fortgeschrittensten Metropolen aufmerksam, die uns einige Jahre später auch erreichen werden, wie die hybriden Mischnutzungen.

Manche Debattenteilnehmer betonen, dass mit Hochhäusern die Probleme rund um das Thema bezahlbares Wohnen nicht gelöst würden. Wird hier der Preis missverstanden?

Leider wird diese dringliche Frage nur selten gestalterisch anspruchsvoll beantwortet, ob beim niedrigen oder hohen Bauen, weder hier noch woanders. Insofern ist der Hochhauspreis der falsche Adressat. Das bezahlbare Wohnen liegt uns sehr am Herzen und wir kümmern uns mit einem anderen, zielgerichteteren Wettbewerb darum, der Ausschreibung „Wohnen für Alle“. Das Gewinnerprojekt wird auch gebaut werden. Aber auch beim Hochhausbau passiert manchmal etwas Überraschendes in diesem Bereich. Beim letzten Mal haben wir einen Sonderpreis für den sozialen Wohnungsbau der Stadt Singapur vergeben, die in drei experimentellen Projekten bewiesen hat, wie man menschenwürdig und klimaschonend heute jeweils 1000 Wohnungen für Familien in großen Komplexen errichten kann, die auch gestalterisch überzeugten.

Warum tun sich gerade die Deutschen so schwer mit dem Typus des Hochhauses?

Im Moment tun wir Deutschen uns leider nicht nur mit dem Hochhausbau schwer. Eine Schwermütigkeit und eine neue Lust am Untergang breitet sich hierzulande aus, obwohl – oder gerade weil – wir uns in der besten wirtschaftlichen Situationen befinden, die wir jemals hatten. Wir sind vollkommen überzeugt, dass die Zukunft für unsere Kinder nicht besser sein wird. Eine Welle der Restauration und des Festhaltens macht sich bemerkbar, die Architektur wird folglich konservativer, wir fordern Sicherheit und keine Experimente. Außerdem ist das Wohnen im Hochhaus in Deutschland noch immer hauptsächlich mit dem Blick auf die Großsiedlungen des sozialen Wohnungsbaus der 1970er verbunden. Dorthin will keiner zurück. Nun kommt am anderen Ende das teure Wohnen im Hochhaus hinzu, was geradezu Neid erzeugt. Beides passt uns nicht. Die digitale technologische Herausforderung wird kaum wahrgenommen geschweige denn angepackt, stattdessen soll die ehrwürdige „europäische Stadt“ zementiert werden. Ein positiver Blick in die Zukunft ist uns abhandengekommen. Dafür stehen aber alle großen Bauvorhaben – ein Vermächtnis für die Zukunft. Wo entstehen denn in Deutschland derzeit neue Flughafenterminals, neue Großhäfen, neue Infrastrukturhubs, neue Trabantenstädte, wo packen wir denn die Herausforderungen an?

Peter Cachola Schmal, 1960 in Altötting geboren, ist seit April 2006 Direktor des Deutschen Architekturmuseums (DAM) in Frankfurt am Main. Hier läuft aktuell die Ausstellung „Best Highrises 2018/19“, in der die Siegerprojekte des Hochhauspreises vorgestellt werden.

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