02.07.2015

Öffentlich

Vom Lohn der Langsamkeit

Nach zehn Jahren Mailand hatte er genug. Gianluca Gelmini ließ Lärm und Hektik der Großstadt hinter sich und zog mit Frau und vier Kindern zurück nach Norden in seine Heimatregion nahe Bergamo. Hier hat er sich in einem Bergdorf zwei gegenüberliegende Häuser an der engen Dorfstraße umgebaut – eines zum Wohnen und eines als Atelier. Er macht einen zufriedenen Eindruck: Von der Krise spüre er nichts, sagt er, seine Projekte seien ohnehin klein und oft betreuungsintensiv, weil Gemeinden in der Umgebung einbezogen sind und viele mitreden; sie gehen langsam voran und brauchen vor allem Geduld.

Genauso ein Projekt ist auch der „Torre del Borgo“ in Villa d’Adda in der Nähe von Bergamo. Der historische Wehrturm liegt dreiseitig eingebaut auf einer Kuppe über dem Fluss Adda, mitten im historischen Ortskern, und ist einziger Überrest einer mittelalterlichen Festung. Dieser Turm hatte Gelmini schon während seines Studiums fasziniert. Schon während der Studienzeit sann Gelmini über eine geeignete Nutzung nach, denn der Turm stand seit Jahren leer und war baufällig geworden. Doch es hat noch einmal zehn Jahre gedauert, bis er die Gemeinde überzeugen konnte, dass sie da ein wertvolles historisches Zeugnis verfallen lässt.

Inzwischen ist das Relikt in einem ersten Bauabschnitt saniert, und als nächster Schritt können dann die Bücher und ihre Leser einziehen. Mit einem neuen außenliegenden Treppenhaus ist es dem Architekt gelungen, die kleine Grundfläche des Turms gut zu nutzen. Die Bezeichnung „Treppenhaus“ ist allerdings geradezu banal für diesen skupturalen, kupferverkleideten Anbau, da die Läufe in jedem Geschoss einen anderen Weg nehmen. Im Prinzip ist die Sanierung – abgesehen vom neuen Anbau – von außen nicht zu sehen. Alles Neue liegt im Inneren und besteht vorwiegend aus Stahl: Decken, Stege, Tür- und Fensterrahmen; die Scheiben sitzen an der inneren Mauerkante, damit die Glasflächen aus der Ferne verschattet werden und dunkel wirken, als wären die Fenster noch immer offen.

Mehr dazu im Baumeister 7/2015

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