05.03.2020

Hotel

Unterwegs im Hotel Belvedere

In den Fels gebaut: Die moderne Erweiterung des Hotels aus rötlich eingefärbtem Beton schiebt sich in den Hang über Bozen. Foto: Gustav Willeit

Hoch über Bozen, auf einem felsigen Höhenzug lagert eine Betonscheibe als Ergänzung des bestehenden Hotels. Es glänzt nun mit einem weitläufigen Wellnessbereich, aber auch die neuen Suiten feiern die grandiose Aussicht.

In den Fels gebaut: Die moderne Erweiterung des Hotels aus rötlich eingefärbtem Beton schiebt sich in den Hang über Bozen. Foto: Gustav Willeit
Die Ausstattung in warmen Steintönen und mit weichen Materialien bildet einen Kontrast zum Betonbau. Foto: Gustav Willeit
Die Ausstattung in warmen Steintönen und mit weichen Materialien bildet einen Kontrast zum Betonbau. Foto: Gustav Willeit

„Lassen Sie den Doktor bitte weg. Sonst geht es mir in der Lobby wie auf Partys – da werde ich so angesprochen: Wissen Sie vielleicht, was ich gegen Knieschmerzen tun kann?“ Schließlich sieht sich Hans Leonhardy seit seiner Hochzeit mit Renate Reichhalter, die das in den 1960er-Jahren von ihrer Familie geführte Hotel Belvedere in Jenesien übernommen hatte, nicht mehr als Mediziner, sondern als Hotelier. Natürlich hat er ein waches Auge auf die Behandlungen, die im Spa angeboten werden, aber nur selten schafft er es, sich Zeit für frühere Münchner Patienten zu nehmen. Vor allem, seit der Steuerberater meinte, jetzt müsse mal wieder etwas passieren mit dem 35-Zimmer-Haus, das ursprünglich aus dem Jahr 1935 stammt und 2003 mit einem zweiten Gebäudeteil erweitert wurde.

Grandios liegt es am Hang über Bozen; die Seilbahnstation, für die der Architekt Marco Sette gerade die Bergstation plant, ist nur ein paar Gehminuten entfernt, knapp zehn Minuten dauert die Fahrt in die Landeshauptstadt. Also entschied sich das Paar zu bauen. Maßvoll: Mehr als 50 Zimmer sollten es nicht werden. Und mit viel Zeit: 15 Jahre darf es dauern, bis das Belvedere umgestaltet sein wird, der großartigen Lage architektonisch entsprechend. So luden die Bauherren fünf Südtiroler Architekturbüros ein, sich mit der Umgestaltung, Neuorganisation und Erweiterung zu beschäftigen. Ein bis zwei Nächte wohnten die Architekten im Hotel. Aber nur ein Team hatte Bergstiefel dabei und war den ganzen Tag in der Umgebung auf dem Salten, Europas höchstem Lärchenhochplateau am Tschögglberg unterwegs. Zur Abgabe präsentierten sie keine Powerpoint-Prä- sentation, sondern ein Modell. Und überzeugten mit dem Vorschlag, kein neues Gebäude hinzuzufügen, sondern die Erweiterung quasi als Sockel unter den Alt- bau zu schieben und den Hang – er besteht aus rotem Porphyr – als Baumaterial zu verwenden.

Einige Zeit später stand dann tatsächlich eine Quetsche auf dem Grundstück, die 9.000 Kubik des roten Steins zerkleinerte, so dass er, mit Zement vermischt, vor Ort zu rötlichem Beton verarbeitet werden konnte. 2015 war das – seit Frühjahr 2019 sind zehn neue Hangsuiten fertig, Bar, Lounge und Spa vergrößert, Seminar- und Yogaräume hinzugekommen, eine Tiefgarage sowie Platz für Mountainbikes geschaffen. Die Architekten mit den Bergstiefeln waren übrigens Michaela Wolf und Gerd Bergmeister aus Brixen. 2014, als der Wettbewerb ausgelobt wurde, konnten sie als Referenz nur das Pupp-Hotel in Brixen vorweisen (Baumeister 6/2013). Inzwischen hat das Büro zahlreiche Hotels, Ferienwohnungen und Gast- häuser an-, um- und neugebaut. Ihre präzise Ortsbezogenheit, die robuste und dabei gleichermaßen sensible und bis ins Detail ausgearbeitete architekto- nische Handschrift ist auch im Belvedere unverkennbar: Bis zu viergeschossig schiebt sich das neue Haus in den Hang und unter den Altbau. Fein ziselierte Balkongeländer nehmen den horizontalen und vertikalen Sichtbetonmauern ihre Schwere, Holz, Messing, Filz und Farbe sorgen für Behaglichkeit.

Den Artikel über das Hotel Belvedere finden Sie in unserer aktuellen Baumeister-Ausgabe 03/2019.

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