28.11.2016

Event

Über den Bauboom in den Alpen

Ein einfaches Matratzenlager mit Blick auf die Nordkette. Foto: Freudenthaler

„Hoch hinaus!“ lautet der Titel einer Ausstellung Archiv für Baukunst der Universität Innsbruck, die sich der Erschließung des Alpenraums und ihrer Entstehungsgeschichte widmet. Baumeister war vor Ort

Heute kaum vorstellbar – doch an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert waren Wegzeiger und Schilder mit den Ortsnamen in den Alpen wenig üblich. Erst die Alpenvereine, die sich vor rund 150 Jahren gründeten, schufen ein übersichtliches Hütten- und Wegenetz. Vor allem im Ostalpenraum bewahrten sie alte Römerstraßen, Militärstraßen und Jägersteige, sorgten für eine bessere Begehbarkeit und errichteten Schutzhütten, um hauptsächlich dem sehnsuchtsvollen Großbürgertum die Schönheit des Hochgebirges zu erschließen.
Diese Leistung würdigt nun die Ausstellung „Hoch hinaus!“, die das Archiv für Baukunst und das Alpenverein-Museum des Österreichischen Alpenvereins in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Alpenverein und dem Alpenverein Südtirol erarbeitete. Erst seit einigen Jahren nimmt man die Wege und Hütten der Alpenvereine verstärkt als Zeugnisse historischer Entwicklung wahr, bislang wurden 30 der über 300 Schutzhütten in Tirol unter Denkmalschutz gestellt.

Flächendeckend: Das Hütten- und Wegenetz der Alpenvereine. Foto: ÖAV/Benedikter
Ein einfaches Matratzenlager mit Blick auf die Nordkette. Foto: Freudenthaler
Wie aus Hütten Häuser werden: Modell der Braunschweiger Hütte. Foto: ÖAV/Raich
Blick in die Ausstellung. Foto: Freudenthaler
Es wurde ausgiebig am Berg gefeiert: Historische Einladungskarten der Alpenvereine. Foto: ÖAV/Benedikter

Drei Stockwerke zeigen nun in Innsbruck die Kultur- und Entstehungsgeschichte der Bauvorhaben im alpinen Gelände. Ganz oben präsentiert sich das Innenleben einer klassischen Schutzhütte mit einem wunderbaren Blick auf die Nordkette: Ein einfaches Schlaflager für vier Personen mit Wolldecken und rotweißkarierten Polstern. Doch dass es bereits um 1890 nicht mehr ganz so spartanisch im Hüttenwesen zuging, lässt uns der Innsbrucker Journalist und Alpinist Johannes Emmer wissen: Es gab Einzelzimmer, Pantoffeln unter dem Bett und ein Speisezimmer – ja sogar weibliche Bedienungen. Und wer am Berg gut essen wollte, besuchte damals die Berliner Hütte: Die dortige Köchin Katharina Fankhauser hatte eine Ausbildung im Palais des Fürschbischofs Schwarzenberg in Prag genossen.

Eine Hütte im Hochgebirge zu bauen, war Ausdruck von Modernität sowie technischem Know-How und zeigte außerdem die Fähigkeit, die Alpen in eine kontrollierte Umgebung zu verwandeln. Anhand von Modellen, Original-Bauplänen, Fotografien und Objekten macht die Schau den Weg von den ersten kleinen Hütten zu Großprojekten deutlich. Die Innsbrucker Architektin und Kulturhistorikerin Doris Hallama untersuchte die Schutzhüttenbauten und –erweiterungen detailliert. So waren die allerersten Unterstände nur aus Bruchsteinen, ohne Mörtel geschichtete Umschließungen eines Raumes mit einer möglichst dicken Eindeckung. So misst die 1883 gebaute und bis heute erhaltene Linder-Hütte in den Lienzer Dolomiten sechs Meter mal drei Meter. Ihre ein Meter dicken Steinmauern umfassen einen rechteckigen Grundriss, der nur durch eine Türe und ein Fenster geöffnet ist.

Die Bewirtschaftung führte zu Erweiterungen. Was zuvor gesamte Hütte war, diente nun gerade als Küche. Mit der Zeit wurden einzelne Bauwerke zusammengefügt oder bekamen sogenannte Logierhäuser hinzugestellt und waren damit Grandhotels am nächsten. Beispiel hierfür ist die alte Funtensee-Hütte in Berchtesgaden: Dort baute man daneben ein mächtiges, dreigeschossiges Schlafhaus mit ausgebauten Dach, das vielen Bergfreunden bis heute als Stützpunkt dient.

Über diese historischen Entwicklungen hinaus greift die Schau aber auch die aktuelle Auseinandersetzung alpiner Vereine mit zeitgenössischer Hütten-Architektur auf. Highlight ist die neugebaute Edelraut-Hütte (2016) in den Zillertaler Alpen: Der helle L-förmige Holzbau mit großen Panoramafenstern und einer sich nach Westen hin öffnenden Fassade stammt von dem Brixner Architekturbüro MoDus Architects. Ihr futuristisches Projekt zieht sicherlich auch Nicht-Bergsteiger auf 2500 Meter.

Ausstellung bis 3. Februar 2017. Anschließend wird die Ausstellung noch in München und Bozen zu sehen sein.
Archiv für Baukunst der Universität Innsbruck (ehem. Adambräu-Gebäude in der Nähe des Hauptbahnhofs, Lois-
Welzenbacher-Platz 1, 6020 Innsbruck)

Weitere Informationen finden Sie unter archiv-baukunst.uibk.ac.at

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