28.02.2025

Architektur Event Öffentlich

STRESSTEST: Der Deutsche Pavillon auf der Biennale 2025

Kultur
Wärmebild München 2024 ©STRESSTEST Foto: Gustav Goetze

Die Welt der Architektur blickt 2025 erneut nach Venedig, wo die 19. Internationale Architekturausstellung der Biennale stattfindet. In diesem Rahmen stellt der Deutsche Pavillon ein Thema ins Zentrum, das kaum aktueller sein könnte: den Hitzestress in urbanen Räumen. Unter dem Titel STRESSTEST macht die Ausstellung nicht nur auf die wachsende Bedrohung durch die Erderwärmung aufmerksam, sondern fordert ein radikales Umdenken in der Stadtplanung. Das Kuratorenteam – Nicola Borgmann, Elisabeth Endres, Gabriele G. Kiefer und Daniele Santucci – entwickelt eine Inszenierung, die die Besucher physisch und emotional mit der Realität extremer Temperaturen konfrontiert.


Urbane Hitzeinseln: Wenn Städte unbewohnbar werden

Die Auswirkungen des Klimawandels sind längst kein Zukunftsszenario mehr. Steigende Temperaturen, Extremwetterereignisse und anhaltende Trockenperioden zeigen sich in städtischen Räumen besonders drastisch. Stark versiegelte Flächen und reflektierende Fassaden verstärken den sogenannten Urban Heat Island-Effekt: Städte heizen sich stärker auf als ihr Umland, nachts kühlt die Luft kaum noch ab. Die Folgen für die Bevölkerung sind gravierend – Hitzewellen führen zu gesundheitlichen Risiken, die Zahl der hitzebedingten Todesfälle steigt.

Angesichts dieser Entwicklungen stellt sich eine zentrale Frage: Wie können Städte so gestaltet werden, dass sie trotz Klimawandel bewohnbar bleiben? Die Ausstellung STRESSTEST greift diese Problematik auf und demonstriert, wie Architektur und Landschaftsarchitektur Teil der Lösung sein können.


Ein Pavillon als physische Erfahrung von Stress und Entlastung

Das Ausstellungskonzept unterteilt den Deutschen Pavillon in zwei gegensätzliche Bereiche: STRESS und DESTRESS. In den STRESS-Räumen erleben die Besucher die unerträgliche Realität extremer Hitze aus nächster Nähe. Hier geht es nicht nur um Information, sondern um eine immersive Erfahrung: Die drückende Atmosphäre dieser Räume macht die Belastung durch steigende Temperaturen physisch spürbar.

Im Gegensatz dazu stehen die DESTRESS-Räume. Hier präsentieren die Kuratoren Gegenentwürfe zu hitzegestressten Städten: grüne Infrastrukturen, intelligente Kühltechnologien und klimagerechte Architektur. Die Botschaft ist klar – Stadtplanung darf nicht länger als rein funktionale Disziplin verstanden werden, sondern muss integraler Bestandteil eines widerstandsfähigen, anpassungsfähigen urbanen Ökosystems werden.


Datengetriebene Stadtentwicklung als Schlüssel zur Klimaanpassung

Eine nachhaltige Stadtplanung kann nur auf der Basis solider Daten funktionieren. STRESSTEST zeigt auf, wie digitale Simulationen dabei helfen, die Temperaturentwicklung in Städten präzise zu analysieren. Stadtmorphologie, Materialwahl und mikroklimatische Wechselwirkungen müssen gezielt untersucht werden, um wirksame Maßnahmen zu entwickeln.

Die Ausstellung fordert ein neues Verständnis von Planung: Politik, Verwaltung, Industrie, Wissenschaft und Bürgerinnen und Bürger müssen gemeinsam tragfähige Strategien für die Zukunft der Städte erarbeiten. Städte sind nicht statische Gebilde – sie müssen sich den Herausforderungen der Erderwärmung anpassen.


Architektur als interdisziplinäre Aufgabe: Ein Schulterschluss von Natur, Technologie und Gesellschaft

Der Kurator der Biennale 2025, Carlo Ratti, stellt die Ausstellung unter das Leitthema „Intelligens: Natural, Artificial, Collective“. Seine These: Die gebaute Umwelt ist einer der Hauptverursacher globaler CO₂-Emissionen, aber auch ein zentraler Hebel für nachhaltige Veränderungen. Die Verbindung von natürlichen, künstlichen und kollektiven Wissenssystemen ist dabei entscheidend. STRESSTEST setzt genau hier an und zeigt, wie interdisziplinäre Zusammenarbeit zu echten Lösungen führen kann.

Die Ausstellung macht deutlich: Naturnahe Stadtgestaltung ist keine Option mehr, sondern eine Notwendigkeit.Begrünte Fassaden, wasserspeichernde Materialien und digitale Technologien sind Bausteine einer klimaresilienten Stadt. Ein Ansatz, der über die Architektur hinausgeht und soziale, wirtschaftliche und ökologische Aspekte einbezieht.


Kunst als Warnsignal: Die Installation von Christoph Brech

Neben den wissenschaftlichen und planerischen Perspektiven setzt der Deutsche Pavillon auch auf die Kraft der Kunst. Die eigens für die Ausstellung geschaffene Installation von Christoph Brech verdeutlicht die Unsicherheiten und Dynamiken eines sich verändernden Klimas. Seine bewegliche, filigrane Arbeit nimmt atmosphärische Phänomene auf und übersetzt sie in eine poetische Bildsprache. Die Installation dient als Mahnmal, das über den Ausstellungsraum hinausweist und zum Nachdenken anregt.


Nachhaltigkeit als Grundprinzip der Ausstellung

Die Ausstellung selbst folgt den Prinzipien der Nachhaltigkeit. Der Pavillon wird mit Solarstrom betrieben, und alle eingesetzten Materialien werden einer definierten Nachnutzung zugeführt. Damit setzen die Organisatoren ein klares Zeichen: Nachhaltigkeit darf nicht nur diskutiert, sondern muss gelebt werden.

Ein Aufruf zum Handeln

Mit STRESSTEST liefert der Deutsche Pavillon nicht nur eine Diagnose des Klimaproblems, sondern auch eine Handlungsanweisung. Städte müssen umdenken – jetzt. Die Ausstellung appelliert an Architektinnen und Architekten, Stadtplanende und politische Entscheidungsträger, aber auch an die breite Öffentlichkeit. Die urbane Zukunft ist kein abstraktes Thema, sondern betrifft alle.

Die 19. Internationale Architekturausstellung in Venedig bietet eine globale Bühne, um diese drängenden Fragen zu verhandeln. Der Deutsche Pavillon nutzt sie konsequent – als Labor für klimabewusste Stadtentwicklung, als Erfahrungsraum für die Bedrohungen des Klimawandels und als Plattform für Lösungen, die über Venedig hinauswirken sollen.

Ob diese Botschaft gehört wird, liegt letztlich an den Entscheidungsträgern in Politik und Planung – und an den Bürgerinnen und Bürgern selbst. Denn ohne entschlossenes Handeln wird das urbane Leben, wie wir es kennen, in vielen Regionen der Welt nicht mehr möglich sein.

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Daten und Fakten zur Ausstellung

  • Veranstaltung: 19. Internationale Architekturausstellung – La Biennale di Venezia
  • Beitrag: Deutscher Pavillon – STRESSTEST
  • Kuratoren: Nicola Borgmann, Elisabeth Endres, Gabriele G. Kiefer, Daniele Santucci
  • Ort: Giardini della Biennale, Venedig
  • Laufzeit: 10. Mai – 23. November 2025
  • Preview-Tage: 8. und 9. Mai 2025
  • Eröffnung Deutscher Pavillon: 9. Mai 2025
  • Organisator: Architekturgalerie München e.V. im Auftrag des Bundesministeriums für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen
  • Website: www.stresstest.world
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