24.07.2020

Öffentlich

Akustische Preziose

H&dM reduzierten die Sitzplätze von 1.500 auf 1.200 bis 1.400 (je nach Arrangement).

So kitschig kennt man Herzog & de Meuron gar nicht: H&dM überraschen beim Umbau des Stadtcasinos in Basel mit Understatement außen und neobarocker Pracht innen.

 

Das Büro Herzog & de Meuron hält sich lange an der Position als größtes und erfolgreichstes Architekturbüro der Schweiz. In ihrer Heimatstadt Basel waren ihre letzten Projekte dennoch nicht unumstritten: Die riesigen Roche-Hochhäuser etwa werden die Silhouette der Pharma-Stadt auf Generationen hinaus dominieren.

Viel bescheidener geriet H & de M ihr Umbau des Stadtcasinos, der Heimat des Sinfonieorchesters Basel. Der von Johann Jakob Stehlin im Stil des Neo-Klassizismus‘ entworfene Konzertsaal gilt schon seit seiner Einweihung im Jahr 1876 akustisch als bester des Landes. Seine prominente, aber vertrackte Lage am Barfüßerplatz verlangte nach einer städtebaulich sensiblen Lösung.

Die Tapeten in dunklem Rot sind ...
... eine Reproduktion, hergestellt von der Manufaktur Perelle.

Musiksaal im Zustand von 1905

 

Die durch Anbauten über die Jahre verdeckte Rückfassade wurde mit digitaler Technologie erfasst und in Originalgröße vor der Fassade nachgebaut – als gedämmte Stahlbetonwand mit einer hinterlüfteten Verkleidung aus Holz. Zwischen beiden Fassaden ist nun Platz für die Foyers und die organisch geschwungene Treppe. Das Stadtcasino wurde von seinem Kopfbau von 1939 entkoppelt und orientiert sich jetzt dank der neu geschaffenen Konzertgasse sowohl zum Steinenberg als auch zum Platz.

Aber erst die Interieurs lassen das Konzerthaus in neuem Glanz erstrahlen: Herzog & de Meuron haben dafür neobarocke, klassizistische und zeitgenössische Elemente zusammengefügt. Beide Säle wurden denkmalgerecht saniert und der Musiksaal wieder in seinen Zustand von 1905 versetzt.

 

Auch die Bestuhlung ist mit tiefrotem Samt bezogen. Zugemauerte Fenster und Oberlichter wurden wieder freigelegt. Die Anzahl der Sitzplätze wurde von 1500 auf 1200-1400 – je nach Arrangement – reduziert.

 

77 Millionen Franken teuer

Bei der Manufacture Perelle in Lyon ließen die Architekten Brokat Tapeten in dunklem Rot reproduzieren, mit dem Wände bespannt wurden, während sich die Parrucca Kristallleuchtern im polierten und lackierten Metall der Decken und Seitenwände spiegeln. Ihr Lichtspiel wird durch die mit silbernem Schlagmetall versehenen Decken vervielfacht. Eine Öffnung in der Geschossdecke macht beide Ebenen des Foyers zu einem Raumkontinuum. Eine spektakuläre Raumsequenz!

 

„Die Bühne des Publikums“, wie die Architekten ihre opulenten Foyers nennen, haben sie mit Bars, Sofas und Sitznischen zum Ort des Sehens und Gesehen-Werdens gemacht. Am 22. August wird der Saal nach seiner 77 Millionen Franken teuren Überarbeitung wieder eingeweiht.

 

Alle Fotos: Roman Weyeneth

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